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Fünf Jahre Paris – und die Erde brennt

HEIßE ZEITEN - DIE KLIMAKOLUMNE: Die Regierungen scheinen sich für ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klima-Abkommen vom Dezember 2015 nicht zu interessieren, kritisiert Elena Balthesen.

  • Elena Balthesen
  • Lesedauer: 4 Min.

Als die Regierungen der Welt vor fünf Jahren mit dem Pariser Klimaabkommen beschlossen, die Erhitzung der Erde bei deutlich unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu stoppen, möglichst sogar bei 1,5 Grad, war ich 13 Jahre alt. Meine Eltern waren froh, dass »endlich was getan« wurde. Am Samstag wird das genau fünf Jahre her sein. Seit ich mich selbst mit der Klimakrise auseinandersetze, habe ich diese Grenze im Kopf: 1,5 Grad Celsius – danach wird es immer wahrscheinlicher, dass wir Kipppunkte des Erdsystems überschreiten.

An diesem Freitag ist wieder globaler Aktionstag von »Fridays For Future«, der siebte insgesamt, der dritte in der Pandemie. Und wir wissen, dass wir darauf zusteuern, die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als drei Grad aufzuheizen. Das hat das UN-Umweltprogramm erst diese Woche wieder festgestellt. Schon jetzt sind wir bei einer Erderhitzung von circa 1,2 Grad angekommen. Während immer noch Menschen wie die Bewohner*innen der rheinischen Kohledörfer ihr Zuhause wegen der Ursachen der Klimakrise verlieren sollen, verlieren andere wegen deren Folgen bereits ihre Lebensgrundlage. Die Erde brennt nicht nur (dieses Jahr alleine: Australien, Kalifornien, Sibirien, Amazonas). Es schmilzt, flutet, trocknet und stürmt. Auf den Philippinen fegte einer der heftigsten Taifune erst vor Kurzem vielen Menschen die Existenzgrundlage weg.

Elena Balthesen
verabschiedet sich mit diesem Text als Klimakolumnistin. 

Wenn ich außerhalb meiner Klimablase darüber spreche, ist das immer noch kaum jemandem klar. Das zeigt, dass Klimaaktivismus auch Bildungsarbeit sein muss. Die Menschen, die unter der Klimakrise leiden, werden zu selten gehört – eine weitere Klimaungerechtigkeit. Auf diese Menschen und ihrer Regionen legt »Fridays for Future« beim Aktionstag den Fokus. Sie sind Opfer der globalen Ausbeutung und erleben die Konsequenzen jahrelanger Untätigkeit.

Und die hört einfach nicht auf. Dass etliche Staaten dieses Jahr angekündigt haben, wann sie den Zustand der Klimaneutralität erreicht haben wollen, täuscht darüber hinweg, dass es eigentlich kaum Klimaschutz gibt. Nur Ziele. Wer aber wie die EU 2050 oder wie China 2060 klimaneutral werden will, müsste längst drastische Schritte gehen.

Wie sieht es in Deutschland aus? Diese Woche fielen im »Danni« die letzten Bäume für eine Autobahn, Anfang des Jahres ging mit Datteln 4 ein Kohlekraftwerk ans Netz. Die Politik verweist darauf, dass die Projekte schon genehmigt waren. Unterschriften unter solchen Verträgen sind offenbar mehr wert als die unter dem Paris-Abkommen. Das wird seit fünf Jahren praktisch gebrochen. Um die Klimakrise aufzuhalten, müssen wir systematisch Verträge brechen. Aber die richtigen.

Seit zwei Jahren organisiere ich »Fridays for Future« in München mit. Wir haben manches Hoch und Tief erlebt. Ich habe gemerkt, dass es aus dieser Krise keinen Weg mehr gibt: Wir stecken schon viel zu tief drin, beobachten krasse Folgen und die 1,5-Grad-Grenze ist fast erreicht. Außerdem geht es um mehr als um Gradzahlen: um globale Gerechtigkeit. Das alles führt einen schnell in einen hoffnungslosen Gedankenstrudel. Ich schreibe diese Kolumne heute nach anderthalb Jahren zum letzten Mal. So wenig politisch passiert sein mag, so sehr habe ich mich verändert. Ich bin aufgebrochen, um Wege aus der Krise zu finden – so war auch die Kolumne angelegt. Heute fühle ich mich nicht mehr im Aufbruch, sondern mittendrin.

Aber ich habe auch gelernt, dass wir viel auf die Beine stellen können. »Fridays for Future« ist aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Mir hilft es, mir klar zu machen, dass wir viel zu gewinnen haben. Dafür müssen wir aber kämpfen. Dabei wird auch ziviler Ungehorsam eine große Rolle spielen. Für mich ist es unumgänglich, laut zu werden. Wir verlangen nicht mehr als das Einhalten des Pariser Abkommens. Spätestens seit dem Sonderbericht des Weltklimarats zum Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad Erderhitzung ist klar: Die 1,5-Grad-Grenze ist nicht verhandelbar.

Nach fünfjährigem Versagen des Pariser Klimaabkommens ruft »Fridays for Future« deshalb zu #Fightfor1Point5 auf, zum Kampf für maximal 1,5 Grad also. Wir müssen die Verantwortlichen dieser Krise dazu zwingen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Von alleine passiert das nicht.

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