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Versammlungsverbot erspart Dresden die »Querdenker«

Polizei hielt Proteste gegen Corona-Maßnahmen in Schach. Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten in Frankfurt am Main

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Man könnte den Pegida-Spruch »Dresden zeigt, wie’s geht« abwandeln in: Dresden zeigte am Samstag, wie es auch anders gehen kann. Eskalationen und Übergriffe wie in Leipzig fünf Wochen zuvor bei der »Querdenken«-Demonstration blieben Sachsens Landeshauptstadt erspart. 1960 Polizeibeamte aus mehreren Bundesländern setzten das Versammlungsverbot durch, der Demonstrationstourismus hielt sich ohnehin in Grenzen.
Kurz vor dem für 14 Uhr geplanten Beginn der Hauptveranstaltung war »Querdenken 351«-Anmelder Marcus Fuchs endgültig beim Bundesverfassungsgericht gescheitert.

Die Karlsruher Richter wiesen seinen Eilantrag ab und bestätigten damit die Verbote der Vorinstanzen. Anders als im Leipziger Fall Anfang November hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen die Demonstration nicht noch in letzter Minute genehmigt. Vielmehr bekräftigte es die Verbote der Stadt und des Verwaltungsgerichts Dresden.

Dieses hatte erklärt, ein Verbot sei die einzige Möglichkeit, ein »Superspreader-Event« mit schwerwiegenden Folgen auch für Unbeteiligte zu verhindern. Die bisherigen Erfahrungen ließen erwarten, dass sich die angemeldeten 4000 Teilnehmer nicht an die Auflagen halten würden. Fuchs sagte daraufhin die Demonstration auch formal ab.

In der Dresdner Innenstadt versammelten sich am Samstag schimpfende Kleingruppen, erkennbar am fehlenden Mund-Nase-Schutz und daran, dass sie am letzten Verkaufstag vor dem sächsischen Lockdown nicht in die Warenhäuser strömten.

Das engmaschige Kontrollnetz der Polizei zeigte Wirkung. 72 Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen, 161 Platzverweise erteilt. 25 Straftaten, darunter Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Fälschung von Gesundheitszeugnissen, wurden registriert.

Zwei Reisebusse, darunter einer aus dem Thüringer Saale-Holzland-Kreis, schafften es bis an das Dynamo-Stadion in der Nähe des geplanten Kundgebungsortes. Die Insassen durften die Fahrzeuge aber nicht verlassen. Per Zuruf boten Dresdner ihnen anwaltliche Hilfe wegen angeblicher Freiheitsberaubung an. Hooligans und rechtsradikale Gruppen, die nach Dresden mobilisiert hatten, fielen lediglich im Stadtteil Strehlen auf. Auf ihrem Weg ins Zentrum hielt die Polizei 46 Personen auf. Wasserwerfer standen bereit, kamen aber nicht zum Einsatz.

Am Straßburger Platz war der genehmigte Stand der im April gegründeten »Basisdemokratischen Partei« von etwa 25 Bürgern umgeben. Eine »Krankenschwester aus Leidenschaft« betonte ihre Friedfertigkeit, warnte aber lautstark davor, »sich mit diesem Zeugs impfen zu lassen«. Genehmigt war auch eine linke Gegendemonstration mit bis zu 200 Personen, die auf der eigentlich geplanten Veranstaltungswiese stattfand.

Tags zuvor hatten Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und der Landrat des Erzgebirgskreises Frank Vogel (ebenfalls CDU) nach einem Krankenhausbesuch in Aue die Sorglosigkeit vieler Bürger scharf gerügt. Obwohl die zweite Corona-Welle heftiger ausfalle, gingen die Sachsen »wesentlich lockerer« damit um als im Frühjahr. »Die Zeit der Appelle ist jetzt vorbei!«, sagte Kretschmer mit Blick auf die sächsischen Rekord-Infektionszahlen und fügte hinzu: »Wir brauchen jetzt ganz klare autoritäre Maßnahmen des Staates!«

Landrat Vogel zeigte sich betroffen von der »Welle der Entrüstung« nach der Verschärfung der Isolationsmaßnahmen. Er kritisierte zudem, viele positiv Getestete würden »schwindeln« und ihre Kontakte der letzten Tage gegenüber dem Gesundheitsamt verschweigen, um diesen Personen die Quarantäne zu ersparen. Der konservative Erzgebirgskreis verzeichnet mit Abstand die höchste Zahl an Neuinfektionen in Sachsen

In Frankfurt am Main hatte »Querdenken« für Samstag eine Demonstration mit rund 40.000 Teilnehmenden angemeldet. Sie war ebenfalls von der Stadt verboten worden, auch hier hatten alle Gerichte das Verbot bestätigt. Die Polizei war in der hessischen Metropole trotzdem mit Tausenden Beamten im Einsatz, denn wie erwartet waren zahlreiche Coronaleugner, aber auch Gegendemonstranten unterwegs. Die Einsatzkräfte setzten teilweise Pfefferspray und Schlagstöcke ein.

In Erfurt versammelten sich nach Polizeiangaben rund 500 »Querdenker« trotz des Demoverbots. Gegen 300 Menschen wurden Platzverweise erteilt und Anzeigen gestellt.

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