Magdeburger Kartenhaus

Landtag debattierte erneut über den Rundfunkbeitrag, dessen Erhöhung die CDU ablehnt

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Wochenlang hatten sie sich nur in kleinen Grüppchen getroffen und sich die Köpfe heißgeredet, bis das letzte Schokoladenstückchen verzehrt und der letzte Kaffee getrunken war. Nun kamen die Abgeordneten des Landtags Sachsen-Anhalt wieder im Parlament zusammen - und zwar zu jener ominösen Sitzung, die ursprünglich das Aus für die »Kenia«-Koalition aus CDU, SPD und Grünen hätte bedeuten können. Nachdem die zum wahrscheinlichen Koalitionsbruch führende Abstimmung über den neuen Rundfunkstaatsvertrag im letzten Moment verhindert wurde, rangen die Parlamentarier im Magdeburger Haus zumindest um Worte.

Es wurde deutlich: Die Stimmung ist nach wie vor höchst angespannt, die politische Landschaft in Sachsen-Anhalt ist weiterhin brüchig. »Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht strukturelle Reformen. Die Verweigerung einer Ratifizierung ist aber ein absolut untaugliches Mittel, um einen solchen Reformprozess anzustoßen«, sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle und richtete sich damit an die CDU-Fraktion, die bis zuletzt beim »Nein« zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent pro Monat verharrte. Zusammenarbeit benötige Verlässlichkeit, so Pähle: »Wer mit wechselnden Mehrheiten liebäugelt, braucht keine Koalition.«

Der Verdacht liegt nahe, dass Teile der CDU-Fraktion vorhatten, das Scheitern des Rundfunkstaatsvertrags zu nutzen, um Ministerpräsident Reiner Haseloff zu stürzen und den Weg für eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten - de facto unter AfD-Tolerierung - freizumachen. Der ehemalige Innenminister Holger Stahlknecht, der einst als möglicher Nachfolger Haseloffs galt, hatte eine solche in einem verhängnisvollen Interview mit der Magdeburger »Volksstimme« auch öffentlich ins Spiel gebracht und wurde daraufhin entlassen. Regierungschef Haseloff schließt eine Zusammenarbeit mit den Rechtsradikalen kategorisch aus.

»Der interne Machtkampf in der CDU ist offen ausgebrochen«, konstatierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann: »Dem Land ist Schaden entstanden, wir stehen bundesweit isoliert da.« Dass die Parlamente bei der Erhöhung des Rundfunkbeitrags »lediglich eine Notarfunktion wahrnehmen«, könne man »komisch finden«, aber dann müsse man das Verfahren ändern. Mit der vorbehaltlichen Unterschrift Haseloffs unter den Staatsvertrag aber »wurde ein Zug aufs Gleis gesetzt, der von 15 Ländern angeschoben wurde. Nur die CDU in Sachsen-Anhalt hat sich wie ein trotziges Kind vor den Zug gesetzt.«

Die Schutzscheiben, die jeden einzelnen der im Plenarsaal sitzenden Abgeordneten umgaben und eine Vollbesetzung des Landtags auch unter Corona-Bedingungen ermöglichten, waren in diesem Sinne mehr als nur eine Maßnahme gegen die Virus-Ausbreitung. Sie hatten auch Symbolcharakter: In Zeiten des Abstandsgebots hält man auch inhaltlich Distanz. Das gilt auch für die CDU, dessen Redner Markus Kurze in gewohnt flapsiger Manier ausführte: »40 Kochsendungen in der Woche und jeden Tag Krimis mit einem Haufen ermordeter Menschen - ob das zum Grundauftrag gehört, wage ich zu bezweifeln.«

Ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das der Linke-Abgeordnete und Landesvorsitzende Stefan Gebhardt in seiner Rede einforderte, dürfte angesichts divergierender Interpretationen weiter schwer zu verwirklichen sein. Weiter betonte Gebhardt: »Immer mehr Menschen verabschieden sich in Parallelgesellschaften, glauben jeden Mist auf YouTube. Deshalb ist es umso notwendiger, seriöse Informationsquellen politisch zu stärken.«

Und in der Tat: Nach wie vor ist unklar, wie sich die CDU künftig ausrichten wird. Die AfD hat bereits Lunte gerochen: Ihr Abgeordneter Ulrich Siegmund versuchte den Spagat, die Konservativen einerseits zu kritisieren, sich aber andererseits auch anzubiedern. Siegmund sprach vom »gallischen CDU-Dorf« und forderte SPD und Grüne auf: »Verschwinden Sie in der Versenkung und machen Sie den Weg frei für eine konservative Politik in diesem Land!«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal