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+++ Seehofer macht Ministerpräsidenten für Corona-Tote mitverantwortlich +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Sonntag, 27. Dezember 2020: +++ Corona-Impfungen bundesweit angelaufen +++ 13.755 Corona-Neuinfektionen am zweiten Weihnachtstag gemeldet +++ Europol warnt vor gefälschten Corona-Impfstoffen

  • Lesedauer: 6 Min.

Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Ministerpräsidenten der Länder für die hohe Zahl der Corona-Neuinfektionen und auch der Toten in Deutschland mitverantwortlich gemacht. »Die ab Oktober ergriffenen Maßnahmen waren unzureichend«, sagte Seehofer der »Bild am Sonntag«. Bei den damals entscheidenden Konferenzen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten einige Teilnehmer »den Ernst der Lage einfach unterschätzt«.

»Die Bundeskanzlerin gehörte übrigens nicht dazu«, betonte Seehofer. Kritik übte er auch daran, dass ein Schutzkonzept für Schulen und öffentliche Verkehrsmittel weiterhin fehle. »Sie bekommen die Ausbreitung eines hochinfektiösen und potenziell tödlichen Virus nur mit rigorosen Gegenmaßnahmen in den Griff und nicht mit angezogener Handbremse«, warnte der Innenminister. Bislang gebe es hier »keine zufriedenstellenden Lösungen«.

Für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr kündigte Seehofer für die kommenden Wochen schärfere Kontrollen an. Die in Deutschland geltenden Schutzmaßnahmen dürften »nicht durch unvernünftige Reisen unterlaufen werden«, sagte der Innenminister. »Die zehntägige Quarantäne und die Testung für Reisende, die aus Risikogebieten im Ausland zurückkehren, muss konsequent überwacht werden.« Für die Bundespolizei solle daher in den ersten Wochen des neuen Jahres deren Überwachung »höchste Priorität« haben.

Seehofer sprach sich zudem dafür aus, die aktuellen Einschränkungen über den 10. Januar hinaus zu verlängern. Dies gelte auch dann, wenn es in den kommenden Tagen weniger Neuinfektionen geben sollte. »Wenn der Lockdown wirkt und die Zahlen nach unten gehen, dann dürfen wir mit schnellen Lockerungen nicht alles riskieren, was wir erreicht haben. Sonst geht es wieder von vorne los«, sagte der Innenminister.

Sollten die Zahlen allerdings nicht sinken, seien sogar zusätzliche Anstrengungen erforderlich. »Hat der Lockdown keine ausreichende Wirkung, müssen die Maßnahmen verschärft werden«, verlangte Seehofer. Eine dritte Welle müsse »unter allen Umständen« verhindert werden.

+++ Corona-Impfungen bundesweit angelaufen +++

Berlin. Die Impfungen gegen das Coronavirus sind bundesweit angelaufen. In Berlin bekam am Sonntagmorgen eine 101 Jahre alte Seniorin im Beisein von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) in einem Pflegeheim eine Spritze mit dem Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer. Mannschaftswagen der Polizei waren vor der Einrichtung platziert. Das mobile Impfteam war gegen 7.45 Uhr in einem Transporter vorgefahren. Am Steuer saß ein Bundeswehrsoldat.

In Siegen in Nordrhein-Westfalen wurde am Vormittag die 95-jährige Erika Löwer einem Seniorenheim geimpft. In Magdeburg begannen drei mobile Impfteams um kurz vor 9.00 Uhr, Bewohnerinnen und Bewohner eines kommunalen Pflegeheims zu impfen, wie Matthias Boxhorn, organisatorischer Leiter vom zuständigen Johanniter-Regionalverband sagte. Rund 120 Senioren sowie etwa 60 Mitarbeiter wollten sich immunisieren lassen.

Die beispiellose Impfkampagne gegen Covid-19 startet an diesem Sonntag in ganz Deutschland. Zuerst sollen Menschen über 80 Jahre sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden. Dazu werden vor allem mobile Impfteams unterwegs sein. Die mehr als 400 Impfzentren werden größtenteils erst in den nächsten Tagen in Betrieb genommen.

In einem Seniorenzentrum in Halberstadt in Sachsen-Anhalt waren bereits am Samstag die ersten Bewohner und Mitarbeiter geimpft worden. Der Landkreis Harz wollte nicht bis Sonntag warten. Die 101-jährige Edith Kwoizalla wurde geimpft, ebenso rund 40 der 59 Bewohnerinnen und Bewohner. Von den rund 40 Mitarbeitern wollten sich zehn spritzen lassen.

+++ 13 755 Corona-Neuinfektionen am zweiten Weihnachtstag gemeldet +++

Berlin. Am zweiten Weihnachtstag haben die deutschen Gesundheitsämter insgesamt 13.755 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Außerdem wurden binnen 24 Stunden 356 weitere Todesfälle verzeichnet, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Sonntagmorgen bekanntgab. Diese Zahlen sind aber nur bedingt mit den Werten der Vorwoche vergleichbar, da das RKI während der Feiertage mit einer geringeren Zahl an Tests und auch weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete. Vor genau einer Woche waren 22.771 Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet worden. Bei den Todesfällen war der Höchststand von 952 am Mittwoch vergangener Woche (16.12.) registriert worden.

Die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Sonntagmorgen bei 161,3. Ihr bisheriger Höchststand war am Dienstag mit 197,6 erreicht worden. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch enorm: Die höchsten Inzidenzen hatten am Sonntag Sachsen mit 375,8 und Thüringen mit 290,2, den niedrigsten Wert hatte Mecklenburg-Vorpommern mit 77,5.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Bericht vom Samstag bei 0,89 (Donnerstag: 0,97). Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg bis Sonntag auf 29.778.

+++ Europol warnt vor gefälschten Corona-Impfstoffen - Warnmeldung an Mitgliedsstaaten geschickt +++

Berlin. Vor dem Start der Corona-Impfkampagne in Deutschland hat die europäische Polizeibehörde Europol vor gefälschten Impfstoffen und anderen Straftaten im Zusammenhang mit dem Vakzin gewarnt. »Wir haben den Mitgliedstaaten bereits eine Warnmeldung übermittelt und sie aufgerufen, sehr wachsam zu sein«, sagte Europol-Direktorin Catherine De Bolle den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut Vorabmeldung vom Sonntag.

Es bestehe die reale Gefahr, dass kriminelle Gruppen versuchten, den Bedarf an Impfstoffen für ihre Verbrechen auszunutzen, sagte De Bolle. So werde von Kriminellen etwa Impfstoff angeboten, der nach der Bezahlung gar nicht geliefert werde. »Oder die Täter bieten gefälschten Impfstoff an - wenn man Opfer eines solchen Betrugs wird, kann das natürlich ernste gesundheitliche Folgen haben«, sagte die Europol-Direktorin. »Wir haben bereits solche Hinweise. Es gibt schon Impfstoff-Angebote zum Beispiel in sozialen Netzwerken.«

De Bolle warnte zugleich vor Diebstahlversuchen. Im ersten Lockdown während des Frühjahrs hätten es Banden zum Beispiel auf Schutzmasken-Transporte abgesehen. »Das ist jetzt auch beim Impfstoff eine Gefahr«, sagte De Bolle. Europol versuche, mögliche Hotspots zu identifizieren, an denen eine besonders hohe Gefahr für entsprechende Straftaten bestehen können - und warne dann die nationalen Behörden. »Außerdem gibt es auch eine spezielle Polizei-Kooperation in der EU, um die Transporte zu beschützen.«

+++ Vor Lockdown: Corona-Fälle in Israel übersteigen Marke von 400.000 +++

Tel Aviv. Vor Beginn eines dritten Teil-Lockdowns in Israel hat die Gesamtzahl der dort festgestellten Corona-Infektionen die Marke von 400.000 überschritten. Das Gesundheitsministerium teilte am Sonntag mit, binnen 24 Stunden seien 2.636 neue Fälle gemeldet worden. Insgesamt seien in dem Mittelmeerland somit bisher 400.099 Infizierte und 3.222 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert worden. Zuletzt hatten die Zahlen in Israel wieder den höchsten Stand seit fast drei Monaten erreicht. Deshalb sollte am Sonntagnachmittag um 17.00 Uhr Ortszeit ein neuer Teil-Lockdown in Kraft treten.

Zum Vergleich: In Deutschland, das etwa neunmal mehr Einwohner hat als Israel, haben die Gesundheitsämter am zweiten Weihnachtstag 13.755 Corona-Neuinfektionen gemeldet.

Der neue Teil-Lockdown soll für mindestens zwei Wochen gelten, es wird jedoch schon mit einer Verlängerung um mehrere Wochen gerechnet. Israel hatte angesichts der Ausbreitung einer neuen, möglicherweise besonders ansteckenden Variante des Coronavirus seine Einreisebeschränkungen verschärft. Auch in Israel sind aber nach Angaben des Gesundheitsministeriums bereits Fälle mit der in Großbritannien entdeckten Coronavirus-Mutation identifiziert worden. Agenturen/nd

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