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Annäherungen an die AfD

In der CDU ist noch immer nicht entschieden, wie sie mit der rechten Konkurrenz umgehen will

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine politische Szene des abgelaufenen Jahres wird noch lange in Erinnerung bleiben. Nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten im Februar warf Linksfraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow ihm den Blumenstrauß voller Verachtung vor die Füße. Zwar war die Wahl formal demokratisch zustande gekommen, mit der Mehrheit der Landtagsabgeordneten nämlich. Aber der FDP-Mann stützte sich nicht nur auf die Stimmen seiner Fraktion und der CDU, sondern er wurde auch von der demokratiefeindlichen AfD gewählt.

Kommendes Jahr wird die Frage, wie die FDP und insbesondere die CDU mit der rechtsradikalen Partei umgehen wollen, wohl erneut eine zentrale Rolle spielen. In Thüringen finden im April Neuwahlen statt. Und wieder ist es nach den aktuellen Umfragen nicht sicher, ob das rot-rot-grüne Kabinett unter der Führung von Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow eine Mehrheit erhält. Diese Konstellation bringt die CDU in die Bredouille. Denn sie lehnt laut einem Parteibeschluss Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD ab. Diese Haltung führt aber dazu, dass keine stabilen Regierungen gebildet werden können. In Thüringen hat sich die CDU nach dem Rückzug von Kemmerich und der heftigen Kritik an ihrem Verhalten dazu durchgerungen, die Wiederwahl von Ramelow im Landtag nicht mehr zu torpedieren und bei wichtigen Entscheidungen zunächst mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung zu stimmen.

An dem Konflikt, wie die CDU zu Linkspartei und AfD steht, war letztlich auch die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gescheitert. Sie kündigte im Februar ihren Rückzug an, blieb aber im Amt, weil wegen der Coronakrise vorerst keine neue Parteiführung gewählt werden konnte. Das wird im Januar nachgeholt. An der Parteispitze gibt es seitdem ein Machtvakuum. Zwar wird die Bundes- und Landespolitik von Unionspolitikern wie der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet dominiert, aber die interne Frage, wie weit man sich nach rechts oder links vorwagen darf, ist immer noch nicht geklärt.

Dass es in der CDU weiterhin brodelt, zeigte kürzlich die Regierungskrise in Sachsen-Anhalt. Konservative Abgeordnete wollten gemeinsam mit Parlamentariern der AfD gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags stimmen. Das führte natürlich zu Verstimmungen beim CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und seinen Koalitionspartner von SPD und Grünen. Haseloff zog den Vertrag zurück, verhinderte somit eine Abstimmung und rettete die Koalition. Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass CDU und AfD in Magdeburg miteinander kooperieren. Auf Antrag der AfD-Fraktion hatte der Landtag im August 2017 die Bildung einer Enquete-Kommission zur »Untersuchung von Linksextremismus in Sachsen-Anhalt« beschlossen. Neben den Politikern der AfD stimmten weite Teile der CDU-Fraktion für den Antrag. Auch in Sachsen-Anhalt wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt. Die Wahl ist für den 6. Juni angesetzt. Dann wird sich zeigen, ob sich die Strömungen in der CDU durchsetzen, die für eine Annäherung an die AfD sind.

Von Bedeutung dürfte dann auch sein, wer neuer Bundesvorsitzender der CDU wird. Durchaus Chancen hat der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der sich ebenso beworben hat wie Armin Laschet und der Außenpolitiker Norbert Röttgen. Merz steht in der Partei sehr weit rechts. Das gefällt zwar denjenigen in der Basis, die meinen, dass die zeitweilige liberale Flüchtlingspolitik von Angela Merkel dafür verantwortlich war, dass die AfD überhaupt stark werden konnte und viele Unionsanhänger zu ihr abwanderten. Das Parteiestablishment ist hingegen alles andere als begeistert von Merz, weil er unter anderem wegen seiner öffentlichen Pöbeleien gegen Homosexuelle vielen bildungsbürgerlichen Wählern der Union nicht vermittelbar ist. Zudem hatte Merz Verständnis für seine Parteikollegen in Sachsen-Anhalt gezeigt, was man auch als Signal in Richtung AfD werten kann.

Wichtige CDU-Politiker wie Jens Spahn werben für eine späte Kandidatenkür. Sie wollen nicht, dass der Vorsitzende automatisch Kanzlerkandidat wird. Denn dann könnte womöglich Merz alle Macht auf sich vereinen. »Ich halte den Gedanken für klug, in einer so außergewöhnlichen Lage ein Nebeneinander von amtierender Kanzlerin und Kanzlerkandidat nicht zu lange werden zu lassen«, sagte Spahn der »Neuen Osnabrücker Zeitung« vor einigen Wochen mit Blick auf die Coronakrise. Deshalb sei es »sinnvoll, unseren Kandidaten später im Jahr zu benennen und nicht gleich nach der Entscheidung über den neuen CDU-Vorsitzenden«. »Eine Kür sechs Monate vor der Wahl«, also im März oder April, wäre aus Spahns Sicht »früh genug«. Der Bundesgesundheitsminister betonte, CDU und CSU würden »gemeinsam entscheiden«, denn ein Kanzlerkandidat der Union habe »nur dann eine gute Chance, wenn er von beiden Schwesterparteien breit unterstützt« werde.

Ob Spahn dann selber Ambitionen hat, wird sich zeigen. Er hält sich noch bedeckt. Das gilt auch für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Sein Name wird aber von anderen genannt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte vor einiger Zeit im Gespräch mit der Funke Mediengruppe erklärt: »Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich meinen Amtskollegen Markus Söder sehr schätze.« Für die CDU wäre es aus seiner Sicht unredlich zu sagen, dass ein Kanzlerkandidat der Schwesterpartei nicht vorstellbar sei.

Spahn oder Söder wären im Unterschied zu Merz ideale Kandidaten für ein mögliches schwarz-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl 2021. Der Bayer hat zu dem Thema erst kürzlich im »Spiegel« ein freundschaftliches Doppelinterview mit dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck gegeben. Beide müssten auch nicht befürchten, dass ihnen jemand einen Blumenstrauß vor die Füße wirft, wenn sie im Bund miteinander kooperieren würden.

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