Wenn Uran zerfällt

Sachsen-Anhalt weist 15 Gemeinden im Ost- und im Südharz als sogenannte Radonvorsorgegebiete neu aus

  • Uwe Kraus, Harzgerode
  • Lesedauer: 3 Min.

Frische Luft ist das günstigste Mittel zur Abhilfe. Gründlich durchlüften, raten die Experten. Nicht nur ein Tipp zu Coronazeiten. Es geht um gefährliche Strahlung. Radon, ein Edelgas, das durch den radioaktiven Zerfall von Uran im Erdreich entsteht, trägt am stärksten zur Strahlenbelastung in Mitteldeutschland bei.

Als Schwerpunkte in Sachsen gelten Erzgebirge und Vogtland sowie Leipzig und Nordsachsen. Die »Schneeberger Krankheit«, eine oft tödlich verlaufende Lungenerkrankung, wird dort bereits seit Jahrhunderten beobachtet. Fünf Prozent aller Karzinome gehen nach aktuellen Zahlen deutschlandweit auf Radon zurück. Das Gas entweicht durch Risse und Spalten im Gestein aus dem Boden in die Luft. Selbst die Kurgesellschaft Bad Schlema, wo das Gas zu Therapiezwecken genutzt wird, sieht es als statistisch bewiesen an: »Eine Dauerbelastung mit hohen Dosiswerten kann gesundheitsschädlich sein. Wer ihm dauerhaft ausgesetzt ist, riskiert eine Erkrankung mit Lungenkrebs.«

Beim online abgehaltenen 14. Sächsischen Radontag 2020 standen neue Anforderungen für den Bau von Gebäuden sowie für den Radonschutz an Arbeitsplätzen in Erdgeschoss- oder Kellerräumen in den Radonvorsorgebieten im Mittelpunkt. Betroffen seien, so Sachsens Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, 107 sächsische Gemeinden in fünf Landkreisen. Radon sei »ein ernstzunehmendes Risiko für die Gesundheit, denn nach dem Rauchen ist Radon die zweithäufigste Ursache von Lungenkrebs«, erklärt Inge Paulini, Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz in Salzgitter. »Trotzdem wird das von Radon ausgehende Risiko oft unterschätzt.«

Wenige Kilometer von Salzgitter entfernt weist auch Sachsen-Anhalt zum 30. Dezember 15 Gemeinden im Ost- und im Südharz als Radonvorsorgegebiete aus. Es geht um Gebiete, in denen zu erwarten ist, dass der Referenzwert für die über das Jahr ermittelte Radon-222-Aktivitätskonzentration in Aufenthaltsräumen über 300 Becquerel je Kubikmeter - dem von der EU festgelegte Referenzwert - liegt.

Dazu zählen laut dem Magdeburger Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie neun jahrhundertealte Bergbaugebiete im Mansfelder Land zwischen Hettstedt, Sangerhausen und der Lutherstadt Eisleben, aber auch Wernigerode, Thale, Harzgerode und Falkenstein im Harz. In den Radon-Vorsorgegebieten sind nun innerhalb der kommenden 18 Monate Messungen im Keller und Erdgeschoss über den Zeitraum von einem Jahr vorzunehmen, aufzuzeichnen und Sachsen-Anhalts Landesamt für Verbraucherschutz vorzulegen, heißt es aus dem Magdeburger Ministerium. Die für Strahlenschutz zuständige Umweltministerin Claudia Dalbert erklärt, gegebenenfalls müsse über bauliche Maßnahmen nachgedacht werden, wenn Keller schlecht abgedichtet sind und Feuchtigkeit eindringt, denn dann gelange auch viel Radon in die Häuser. »Neue Gebäude müssen von vornherein gegen Bodenfeuchte und damit auch gegen das Eindringen von Radon abgedichtet werden.« Grundsätzlich gelte, eine weitere Entfernung eines Raums von der Erdoberfläche bringt eine geringere Radonkonzentration.

Eine Messpflicht bestehe an Arbeitsplätzen im Erd- und Kellergeschoss. Privaten Eigentümern sei das Erfassen der Daten dringend angeraten. Die Strahlenschutzbehörde in Salzgitter versichert, eine Messung kann in Wohnungen, Kellern und Arbeitsräumen mit geringem Aufwand Klarheit schaffen. Dazu sei ein passiver Detektor, ein stromlos arbeitender Kernspurdosimeter, nötig, der über die Jahresfrist witterungsbedingt pendelnde Radonwerte messen kann. Messgeräte dafür, sogenannte kleine Radonsammler, können zwar bei Laboren bestellt werden, pro Zimmer und Jahr koste das aber um die 50 Euro.

Eine Reihe Bürgermeister im Landkreis Harz sehen es kritisch, dass es derzeit dazu keine finanziellen Förderprogramme gibt. Die Umweltminister der Länder wollen sich dafür einsetzen, dass der Bund die Kosten für die Schutzmaßnahmen übernimmt.

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