Vollbetrieb erst in vier Wochen

Albrecht Broemme hat in Rekordzeit die Berliner Covid-19-Impfzentren aufgebaut – noch fehlt Vakzin

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 5 Min.

Albrecht Broemme wurde 1992 mit 39 Jahren Berlins jüngster Feuerwehrchef, von 2006 bis 2019 war er Präsident des Technischen Hilfswerks. Seit März 2020 hat er die Einrichtung der Corona-Klinik in Rekordzeit koordiniert, jetzt kümmert er sich um die Berliner Impfzentren. Mit Mischa Pfisterer sprach er über die Herausforderung des Impfstarts.

Sie haben in Rekordzeit Berlins Covid-19-Behandlungszentrum aufgebaut, nun folgten in Rekordzeit sechs Impfzentren. Hätte man Ihnen auch den Zuschlag für die Beschaffung der Impfstoffe geben sollen?
Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Der Impfstart ist etwas, wo alle Beteiligten Neuland betreten. Wir können sehr zufrieden sein, dass wir die Impfzentren baulich rechtzeitig fertig gestellt haben. Am 21. Dezember waren sie alle vorbereitet. Wir haben dann nur noch auf den Impfstoff gewartet. Der kommt nicht in der Menge, wie wir es zunächst erwartet haben. Deshalb mussten wir mit kleineren Mengen anfangen und konnten auch bisher nur eines der sechs Impfzentren in Betrieb nehmen …

… das Zentrum in der Arena, das nach wenigen Tagen pausieren musste. Mal gab es zu wenig Impfstoff, mal zu wenig Impflinge
Und seit vergangenem Montag impfen wir jetzt dort die über 90-jährigen Berlinerinnen und Berliner.

Bleibt die Diskussion über zu wenig bestellte Impfstoffe. Wie viel bekommt Berlin denn jetzt?
Die einzige Zahl, die ich verlässlich kenne, ist die, dass das Land Berlin momentan 900 000 Impfdosen erwartet, die natürlich nicht alle an einem Tag kommen werden. Aber ich beteilige mich nicht an der Diskussion, wer was wann bestellt haben müsste oder bestellt hat. Ich bin froh über alles, was ankommt, und das wird dann ordnungsgemäß verimpft.

Haben Sie ein Ziel vor Augen, wann Sie mit der ersten Gruppe durch sind?
Mit den aktuell tatsächlich verfügbaren Impfmengen in Berlin ist die Prognose reine Kaffeesatzleserei. Es wäre einfach das Ziel zu benennen, dass wir bis Ende Januar mit den 90-Jährigen durch sind, dafür bräuchte es aber genügend viel Impfstoff für die erste Impfung. Man darf aber auch nicht vergessen, dass in der vierten oder fünften Woche eine zweite Impfung erforderlich ist.

Wie läuft es überhaupt bisher?
Bei den über 90-Jährigen brauchen wir viele Betreuungskräfte, die sich da auch um die Menschen kümmern. Das bedeutet konkret: Wenn jemand auf einen Rollstuhl angewiesen ist, dann wird er von einer Betreuerin oder einem Betreuer an der Tür abgeholt und die ganze Stunde lang durchs Impfzentrum begleitet. Man hat also eine Bezugsperson. Das ist fachlich und menschlich ganz wichtig.

Der eigentliche Kraftakt liegt hinter Ihnen, die Impfzentren stehen. Trotzdem sind sie jeden Tag auf Achse. Wo hakt es momentan noch?
Wir haben noch nicht für alle Impfzentren das perfekte Verkehrskonzept gemacht. Das wird jetzt gerade von Impfzentrum zu Impfzentrum durchgegangen. In der Arena in Berlin-Treptow schauen wir, wo die Beschilderung noch zu verbessern ist. Gut erkennbare Schilder, Pfeile und Zeichen sind immer wichtig, um den Durchlauf zu optimieren. Das sind oftmals Kleinigkeiten, ich nenne das »fine tuning«, also Feinschliff. In der Arena planen wir ja mit einem Durchlauf von bis zu 4000 Impfungen am Tag.

Die Berliner müssen das Impfangebot aber auch annehmen. Wie schätzen Sie die Impfbereitschaft ein?
Ich habe keine offizielle Umfrage dazu gemacht, aber immer mal wieder einzelne Leute gefragt, die in der Arena geimpft wurden. Die haben gesagt, sie hätten nur auf den Zeitpunkt gewartet, dass sie endlich geimpft werden können. Aber natürlich gibt es auch Menschen, die sagen: jetzt noch nicht. Oder: aus Prinzip nicht. Das ist eine individuelle Entscheidung und das muss jeder für sich entscheiden.

Wie fällt Ihre Entscheidung aus?
Ich bin ein großer Freund von Impfungen und musste mich früher beim Technischen Hilfswerk für meine Auslandsverbindungen vielen Impfungen unterziehen. Wir haben ja festgelegt, dass Impfstoff nicht vernichtet werden soll ...

... trotzdem ist es passiert. Wie konnte es dazu kommen?
Auf der Spritze aufgezogen, hat man genau 120 Minuten Zeit, sonst muss der Impfstoff vernichtet werden. Das heißt: ab der 121. Minute darf der Impfstoff nicht mehr benutzt werden. Jede Impfung, die man nicht vollzieht, ist ärgerlich. Wenn solche Fälle erkennbar sind, bieten wir dem Personal in den Impfzentren an, sich impfen zu lassen. Diesem Umstand habe ich es zu verdanken, dass ich meine erste Impfung auch schon bekommen habe, was ja nicht geplant war, worüber ich mich aber sehr gefreut habe.

Bei manchen Menschen kann von Freude keine Rede sein. Es gibt Befürchtungen, die Wut einiger könnte sich gegen den Impfstoff richten. Sind Sie darauf vorbereitet?
Zum Betrieb des Impfzentrums gehört auch ein Sicherheitskonzept. Der tiefgekühlte Impfstoff wird an einer Stelle sicher gelagert, die nicht veröffentlich wird. Speditionsunternehmen transportieren in Polizeibegleitung von dort aus den aufgetauten Impfstoff in die einzelnen Zentren. Wir wollen da kein Risiko eingehen. Mit dem Impfstoff könnte ja keiner etwas anfangen, wenn man den klaut. Aber es wäre ein misslicher Vorgang, und der muss vermieden werden.

Sie waren ja gerade auf dem Weg in den Ruhestand. Cello spielen, Gartenarbeit. Haben sie im März 2020 nicht einen Moment gezögert mit der Zusage, den Aufbau des Covid-19-Krankenhauses zu leiten?
Ich hatte mich nach 50 Jahren ehren- und hauptamtlichem Dienst wirklich auf den Ruhestand gefreut. Ich habe Hobbys und hatte Pläne. Ich habe überlegt, was ist wichtiger: Cello spielen und mit den Geräuschen seine Nachbarn quälen? Oder etwas Nützliches für das Land Berlin tun? Die Entscheidung ist mir nicht schwergefallen.

Und? Wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich bald der Nachbarschaftspflege widmen?
Es braucht wahrscheinlich noch vier Wochen, bis alle Impfzentren in Berlin in Betrieb und alle technischen und baulichen Sachen optimiert sind. Wenn das alles gut läuft, dann kann ich sagen: Arbeit erledigt, jetzt kannst du zurücktreten. Dann hoffe ich, dass keine weiteren Aufträge kommen, sondern dass man sagt: Hast du gut gemacht, danke!

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