Unternehmer pochen auf staatliche Hilfe

Um die Liquidität von bedrohten Firmen zu sichern, soll der Senat zusätzliche Gelder lockermachen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es kommt sicher nicht so häufig vor, dass sich Politiker der Linkspartei und Vertreter der Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg (UVB) einig sind. »Ja, wir brauchen eine Landesstrategie für die wirtschaftliche Entwicklung in Brandenburg«, schrieb der Vizelandesvorsitzende der Linkspartei in Brandenburg, Martin Günther, am Donnerstag beim Kurznachrichtendienst Twitter. Kurz zuvor hatten die Unternehmensverbände in ihrer Jahresauftaktpressekonferenz ebenfalls eine wirtschaftliche Gesamtstrategie für Brandenburg und auch zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen der Coronakrise eingefordert. »Wir brauchen eine ressortübergreifende Strategie für den Senat und zwischen Berlin und Brandenburg«, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg.

Die Unternehmervertreter fordern von der regionalen Politik, dass diese abgestimmt die Fördermittel des Bundes abgreift, die beispielsweise für die Entwicklung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, Wasserstofftechnologien und den Ausbau des 5G-Telefonnetzes zur Verfügung stehen. Insgesamt 179 Milliarden Euro seien dafür vorgesehen, hieß es.

Doch nicht nur die Konjunkturprogramme sollen aus Sicht der Unternehmensverbände stärker genutzt werden, sondern auch zusätzliche staatliche Hilfen, auch auf Landesebene, zur Verfügung gestellt werden. »Es stellt sich die Frage, ob der Senat kurzfristige Überbrückungshilfen geben könnte, damit Existenzen nicht zerstört werden«, sagte Amsinck. »Die staatlichen Hilfen müssen schneller und unkomplizierter in den Betrieben ankommen«, so der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände.

Amsinck hat dabei vor allem die derzeit von den Lockdowns besonders betroffenen Mittelständler vor Augen, die beispielsweise in der Gastronomie oder im Handel großen Unsicherheiten ausgesetzt sind, weil sie weiter Kosten haben, aber keine Perspektive, wann sie ihre Waren veräußern und ihre Betriebe wieder hochfahren können. Um 13 Prozent gingen zwischen Januar und September 2020 die Umsätze im Einzelhandel zurück, ein kräftiges Wachstum gab es nur im Onlinehandel. Insgesamt sank die Wirtschaftsleistung in Berlin nach einer UVB-Schätzung im vergangenen Jahr um sechs Prozent. In diesem Jahr prognostiziert der Verband zwar eine leichte Erholung. Aber Amsinck ergänzt: »Wir erwarten erst in zwei Jahren das Vorkrisenniveau, es ist ein Aufholprozess.«

Besonderes Lob sprechen die Unternehmensverbände für die staatliche Unterstützung durch das Kurzarbeitergeld aus, das noch bis zum Ende dieses Jahres an die Unternehmen ausgezahlt werden soll. »Die Kurzarbeit hilft sehr«, sagte Amsinck. Zu Spitzenzeiten sei in Berlin in der Pandemie jede sechste Stelle über die Kurzarbeit abgesichert worden. Zum Vergleich: In der Finanzkrise 2009 war es »nur« jede 70. Stelle. »Die Bundesregierung und die Bundesländer haben für den Arbeitsmarkt Zeit gekauft«, erklärte der UVB-Hauptgeschäftsführer.

Doch während die Hilfen für Unternehmen aus Unternehmerverbändesicht offenbar nicht schnell genug fließen können, werden Förderungen für andere gesellschaftliche Gruppen vom UVB weiter massiv kritisiert. Die Unterstützung des laufenden Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen durch die Parteien, die den Senat in Berlin tragen, bezeichnete Amsinck als »verheerendes Signal« an Investoren. Es sei »unvorstellbar«, dass das abgestimmt wird, so der Hauptgeschäftsführer. Auf nd-Nachfrage, damit das gesamte direktdemokratische Verfahren infrage gestellt werde, reagierten die UVB zunächst nicht. Starke Vorbehalte hegen die Unternehmensverbände weiter auch gegen den Mietendeckel. Dass das Bevölkerungswachstum in Berlin zuletzt rückläufig war, stellte Amsinck in einem Zusammenhang mit der Wohnungspolitik des Senats, die »gescheitert« sei.

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