Volkseigener Betrieb Fahrzeugbau

Brandenburgs Linksfraktion hat die Vision einer klimaneutralen Mobilität im Jahr 2050

Jede Gemeinde in Brandenburg ist ans öffentliche Nahverkehrsnetz angeschlossen. Es gibt mindestens im Stundentakt eine Bahn- oder Busverbindung. An fast allen Hauptstraßen gibt es Radwege. Niemand benötigt unbedingt ein Auto. Denn Geschäfte, eine Arztpraxis und eine Schule gibt es im Dorf oder im Nachbardorf und nicht erst Dutzende von Kilometern entfernt in der nächsten Stadt. Wer aber doch einmal ein Auto benötigt, bedient sich bei der Fahrzeugflotte der Kommune oder eines Vereins, die zu diesem Zweck Elektroautos bereithalten. Für den gesamten öffentlichen Nahverkehr sind übrigens keine Fahrscheine erforderlich. Es gibt die Beförderung zum Nulltarif. Spätestens beim letzten, eigentlich schon früher wird klar: Mit der Realität im Bundesland hat das aber auch gar nichts zu tun. Es ist vorerst nur eine Vision des Landtagsabgeordneten Christian Görke (Linke), die er mit seinem Referenten Fritz R. Viertel entwickelt hat.

Sie möchten, dass ihre Vorstellungen bis zum Jahr 2050 verwirklicht werden. Dazu schlagen sie vor, Schritt für Schritt zu gehen. Den Nulltarif kann es nicht sofort geben. Doch Kinder und Jugendliche sollten schon einmal umsonst Bus und Bahn fahren dürfen, ebenso besonders fleißig ehrenamtlich tätige Menschen. Und Studierende sollten zum günstigen Preis von 365 Euro ein Jahresticket erhalten, das für Berlin und Brandenburg gilt. Statt vorwärts ist es bisher rückwärts gegangen. Es wurden Bahnstrecken stillgelegt, es wurde Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlegt, es wurden immer mehr Strecken mit dem Pkw zurückgelegt statt zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Erst in den letzten Jahren wurde diese Entwicklung teilweise gestoppt. Doch von einer echten Trendwende, einer Verkehrswende, kann leider noch keine Rede sein.

Im Jahr 2008 erledigten die Brandenburger im Durchschnitt noch 26 Prozent ihrer Wege zu Fuß, 2017 waren es nur noch 19 Prozent. Beim Fahrrad fiel der Anteil am gesamten Verkehr im selben Zeitraum von 13 auf 11 Prozent. Kleiner Lichtblick: Der Anteil der in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Wege erhöhte sich leicht von 9 auf 11 Prozent. Doch alles zusammengerechnet bedeutete dies: Der Anteil der umweltfreundlichen Varianten der Fortbewegung reduzierte sich von 48 auf 41 Prozent.

Nach fester Überzeugung von Görke muss sich dieser Anteil schon bis zum Jahr 2035 verdoppeln. Zusätzlich müsste der Gütertransport mit der Bahn um 50 Prozent gesteigert werden. Und 2050 soll die Mobilität komplett klimaneutral sein.

Ein bisschen umgesteuert wurde bereits. Es werden nun keine Bahnstrecken mehr stillgelegt, sondern es ist zum Beispiel die Nebenstrecke von Templin nach Joachims-thal testweise wieder in Betrieb genommen worden. Doch der sozialen und ökologischen Dinglichkeit der Verkehrswende werde dies hinsichtlich Umfang und Geschwindigkeit nicht gerecht, bedauert Görke. »Im Jahr 2020 trafen zwei Krisen mit erheblichen Auswirkungen auf das Verkehrswesen aufeinander«, sagt er. »Nachdem die Klimabewegung die Notwendigkeit eines radikalen Umbaus unserer Mobilitätsformen auch in Brandenburg mit Nachdruck auf die politische Agenda gesetzt hatte, brachen infolge der Coronakrise die Fahrgastzahlen der öffentlichen Verkehrsmittel ein. Innerhalb von Tagen offenbarte sich die Anfälligkeit der bisherigen Finanzierungsinstrumente von Bus- und Bahnangeboten, standen öffentliche und private Verkehrsunternehmen vor dem finanziellen Ruin.«

Denn da Schulen und Kitas, Gaststätten und Hotels geschlossen wurden und viele Betriebe ihre Belegschaft in Kurzarbeit schickten oder für das Personal Heimarbeit anordneten, stiegen kaum noch Schüler und Berufspendler in Bus und Bahn. Die Fahrgastzahlen brachen um bis zu 95 Prozent ein. Görke beziffert das entstandene Defizit bei den Verkehrsbetrieben auf zusammen rund 80 Millionen Euro.

Er wünscht sich eine Reise aus der Krise heraus in die Zukunft. Sein »Fahrplan für sozial-ökologische Mobilität in Brandenburg« umfasst fünf Seiten. Abgestimmt und besprochen haben er und Viertel das Papier mit der Landtagsfraktion, mit dem Landesvorstand ihrer Partei und mit Verkehrsexperten. Görke erläutert, nach der Beratung mit Experten sei beispielsweise die Forderung aufgenommen worden, die Berliner S-Bahn GmbH langfristig in das Eigentum der Länder Berlin und Brandenburg zu überführen. Gegenwärtig ist die GmbH eine Tochter der bundeseigenen Deutschen Bahn AG.

Die Vision soll noch weiterentwickelt werden. Das Papier schließt mit der Bemerkung: »Wir stellen außerdem fest, dass die Produktion von Straßenbahnen, E-Bussen, Lokomotiven und Waggons durch private Konzerne den steigenden Bedarf nicht decken kann. Deshalb wollen wir darüber diskutieren, ob und wie wir das in Brandenburg vorhandene Knowhow für den Aufbau eines demokratisch organisierten Produktionsbetriebs für Schienenfahrzeuge nutzen können.« Die Möglichkeit, dass sich das Land an dieser Stelle selbst engagiert, ist in der Formulierung bewusst offengehalten.

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