Leitlinien und ein Brückenschlag

Die Linke will Antworten auf die Pandemie mit dem sozial-ökologischen Umbau zu verbinden

Sollten Linke abergläubisch sein und etwas auf Vorzeichen geben, dann haben sie jetzt etwas zum Nachdenken. Denn der politische Jahresauftakt, gedacht als schwungvoller Einstieg ins neue Jahr - zumal, wenn eine Menge Wahlen anstehen -, er rumpelte. Zumindest am Anfang. Eine halbe Stunde verspätete sich der Livestream wegen technischer Probleme, dann Bild ohne Ton, schließlich schepperte die Stimme des Bundesgeschäftsführers blechern aus dem Lautsprecher. Alles ist eben etwas schwieriger unter den Bedingungen von Pandemie und Lockdown. Eigentlich ein repräsentatives Ereignis auf großer Bühne vor großem Publikum im Anschluss an die Luxemburg-Liebnecht-Ehrung, fand der Jahresauftakt der Linkspartei diesmal in ein paar Bildschirmfenstern statt. Wenn man so will, ist das - inklusive des holprigen Starts - ja schon ein Hinweis auf das Thema dieser Zeit und sicherlich auch der anstehenden Wahlkämpfe: Wie geht die Gesellschaft mit den Herausforderungen und Zumutungen der Coronakrise um? Die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler und Schatzmeister Harald Wolf haben dazu ein Papier verfasst: »Umsteuern jetzt. Für einen sozial-ökologischen Weg aus der Krise«. Sie nennen es wirtschaftspolitische Leitlinien. Aber was die Linke da formuliert, betrifft in ihren Wirkungen viele Bereiche der Gesellschaft; nicht zuletzt ist es ein Signal in Richtung Wahlkämpfe, die in Kommunen, Ländern und im Bund in erheblicher Zahl bevorstehen.

Der soziale Schutzschirm, der in Coronazeiten aufgespannt wurde, reiche bei Weitem nicht aus, sagte Riexinger. Einschränkungen beträfen vor allem den privaten Bereich; der Infektionsschutz an den Arbeitsplätzen komme zu kurz. »Der Markt regelt nichts, wir müssen den Markt regeln«, erklärte er und meinte damit einerseits Sofortmaßnahmen wie die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro und stufenweise mehr. Andererseits gehe es darum, die Antworten auf die Pandemie mit dem sozial-ökologischen Umbau zu verbinden: emissionsfreie Wirtschaft, Verkehrswende, gute Löhne, Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge, zukunftsfähige Infrastruktur und vieles mehr.

Wie das alles bezahlt werden soll? Da geht es etwa um Vermögensabgabe und Vermögenssteuer für Reiche und Superreiche, um die Streckung der Staatsschulden. Riexinger brachte eine bundesweite Beteiligungsgesellschaft ins Gespräch, mit der privatisierte Krankenhäuser in öffentliches Eigentum zurückgeholt werden könnten.

Und dann ist da die leidige Schuldenbremse. Die findet auch Gustav Horn nicht gut, denn sie verhindere wichtige Investitionen. Dass Horn bei der Linken sprach, ist eine Art Brückenschlag. Lange war er Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Nun, im Ruhestand, ist er Mitglied des SPD-Vorstands und betonte gleich mehrfach, dass sich seine Partei in der Großen Koalition nicht wohlfühle. Vieles, was er über die soziale Spaltung der Gesellschaft und über ökologische Nachhaltigkeit sagte, dürfte bei der Linken auf Zustimmung stoßen. Deutlicher als andere SPD-Vertreter plädiert er für eine Regierung, die etwas für einen solchen Wandel tut »und nicht auf den Markt setzt«.

Ganz ähnlich hatte zuvor Katja Kipping geklungen: »Mit allem, was nach Gier, Geiz und noch mehr Markt riecht, kommen wir nicht aus der Krise.« Im Wahljahr 2021 müsse ein machtpolitisches Fenster links von der Union geöffnet werden, sagte Kipping und ließ die Grünen wissen, dass eine sozial-ökologische Wende nur mit einer starken Linken möglich sei. »Alle, die auf Schwarz spielen, können ihr grünes Wahlprogramm eigentlich jetzt schon in die Tonne treten.«

Was sie unter einer starken Linken auf Bundesebene versteht, fasste Kipping in die Formel: zweistellig und vor der AfD. »Wir wollen mitentscheiden.« Das darf man als Arbeitsauftrag an die Nachfolgerinnen verstehen, denn Kipping und Riexinger treten nach mehr als achtjähriger Amtszeit demnächst ab. Die mit Abstand aussichtsreichsten Bewerberinnen für den Parteivorsitz sind die Landespolitikerinnen Susanne Hennig-Wellsow aus Thüringen und Janine Wissler aus Hessen. Die allerdings spielten beim Start in das Jahr, das sie maßgeblich prägen wollen, keine öffentliche Rolle.

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