Italien fürchtet Kontrollverlust

Regierung will strikte Beschränkungen zur Eindämmung der Covid-Pandemie weiter beibehalten

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntag färbte sich Italien einheitlich als »Zona arancione« (orange Zone), die strengsten Bewegungseinschränkungen wurden aufgehoben. Die Menschen durften sich innerhalb der eigenen Gemeinde ohne Passierschein bewegen, einige Geschäfte öffneten. Bars und Restaurants hingegen durften lediglich bis 18 Uhr außer Haus liefern. Ab 22 Uhr trat die Sperrstunde in Kraft, die bis 5 Uhr am nächsten Morgen andauerte. Ab Montag soll nun jede Region selbst ihren Corona-Ampel-Status festlegen, nach Richtlinien, die Rom vorgibt. Wegen hoher Infektionszahlen riskieren drei Regionen und eine autonome Provinz, zur »Roten Zone« erklärt zu werden. Sorgen bereitet den Behörden, dass trotz strikter Anweisungen viele, vor allem junge Menschen sich zur allabendlichen »Movida« treffen, dem Aperitif im Kreise von Freunden vor der Lieblingsbar. Ob Mailand, Lucca, Rom oder Catania - landesweit meldeten die Sicherheitsbehörden Überschreitungen der Coronaregeln. Hoffnungen setzen die Verantwortlichen in die Impfkampagne - von den etwa 918 000 Dosen des Covid-19-Impfstoffs, die Italien erreichten, wurden bis zum Wochenende 513 000 verimpft. Die Regierung in Rom überlegt, Mitarbeiter des Gesundheitswesens zu verpflichten, sich impfen zu lassen, ein Beschluss ist hierzu allerdings bislang nicht gefallen.

Infolge des harten Lockdowns zu Weihnachten und Neujahr waren die Reproduktionszahlen zu den Ansteckungen landesweit zunächst etwas gesunken. In Apulien, der Basilicata, in Kampanien, Ligurien, der Lombardei sowie in Venetien liegt der R-Wert aber immer noch über der kritischen Marke eins. Für diese Gebiete könnte weiterhin die »Orange Zone« verhängt werden. Die anderen Regionen verzeichnen geringere Reproduktionswerte und könnten somit zur »Gelben Zone« erklärt werden.

Allerdings soll nach Auffassung der Regierung und der obersten Gesundheitsbehörde ISS der Übergang zu einer höheren Warnstufe neu gestaltet werden. Schon bei einem R-Wert von 1,25 (bislang 1,5) soll die »Rote Zone« verhängt werden, in der sich die Bürger dann nur noch mit triftigem Grund - Arbeit, dringender Arztbesuch oder Betreuung Hilfsbedürftiger - innerhalb der eigenen Gemeinde bewegen dürfen.

Das jetzt geltende Dekret über das Corona-Management läuft am 15. Januar aus. Die Regierung traf sich am Montag mit den Regionalvertretern, um die entsprechenden Maßnahmen ab dem kommenden Wochenende zu beschließen. Wie es heißt, soll der nationale Notstand mindestens bis Ende Januar, wahrscheinlich jedoch bis Ende März weiter gelten. Allerdings schließen regierungsnahe Stimmen angesichts der wiederholt steigenden Infektionszahlen auch eine Verlängerung bis Juli nicht mehr aus. An den Wochenenden soll der Status im gesamten Land regelmäßig auf die Stufe »Orange« erhöht werden. Ab einer Infiziertenzahl von über 250 je 100 000 Einwohner wird über eine Region automatisch die »Rote Zone« verhängt.

Virologen und Epidemiologen befürchten indes, dass die Coronainfektionen zu einer unkontrollierbaren Epidemie im Lande ausufern. Um Kontakte zwischen Infizierten nachvollziehen zu können, wäre es erforderlich, die 7-Tage-Inzidenz auf 50 Infizierte je 100 000 Einwohner zu senken. Doch nun - nach den Jahreswechselfeiertagen - steigen die Zahlen wieder deutlich an. Landesweit verzeichnen die Ämter eine über zwei Wochen gerechnete Inzidenz von 313,28 Fällen. In der am stärksten betroffenen Region Venetien rechnet man sogar mit 927,36 Fällen. Das ist ein Vielfaches dessen, was Epidemiologen noch für beherrschbar halten. Die Kliniken im Belpaese arbeiten bereits seit Monaten am Limit. Sollte sich die Entwicklung so fortsetzen, könnte Italiens Gesundheitswesen demnächst ganz am Boden liegen. Daher könnte sich die Regierung von Giuseppe Conte bald dazu gezwungen sehen, das ganze Land zur »Roten Zone« zu erklären.

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