Trump angeklagt, Republikaner entzweit

Aufarbeitung des Sturms aufs Kapitol deutet darauf, dass Abgeordnete der Präsidentenpartei dem Mob geholfen haben

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 4 Min.

Nur zehn Republikaner im Repräsentantenhaus stimmten mit den Demokraten, die in der Kammer eine Mehrheit stellen, für die Einleitung eines Impeachment-Verfahrens. Die Abstimmung ging mit 232 zu 197 aus. Damit kann technisch von einem parteiübergreifenden Beschluss gesprochen werden, Trump wegen »Anstiftung zum Aufruhr«, so der Anklagepunkt, aus dem Weißen Haus zu werfen. Aber in politischer Hinsicht ist er erschütternd. »Wenn der Kongress auch nur einen Funken Anstand hätte, wäre dieses Impeachment einstimmig beschlossen worden«, urteilte der progressive Verband »Public Citizen«, der Korruption in Washington aufzudecken versucht.

Der nächste Schritt, ein Amtsenthebungsverfahren im Senat mit entsprechenden Konsequenzen für das rechtsradikale US-Staatsoberhaupt, wird auf sich warten lassen. Zwar deutete der Chef der Senatsrepublikaner Mitch McConnell, an, Trump habe sich möglicherweise tatsächlich nach den Statuten des Impeachment-Verfahrens strafbar gemacht. Doch McConnell schloss eine baldige Abstimmung im Oberhaus aus. Erst am 19. Januar, einen Tag vor Amtsübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden, könne der Senat zusammentreten, hieß es. Ein »faires oder gewissenhaftes Verfahren« sei auf die Schnelle nicht möglich, behauptete McConnell.

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Der Senatsschef der Republikaner hatte bis vor kurzem aufs Engste mit Trump zusammengearbeitet. Dass er das Verfahren hinauszögert, beurteilte der linke Investigativjournalist vom Center for Media and Democracy Alex Kotch folgend: »Das heißt, McConnell ermöglicht es, dass Trump im Amt bleibt, dass er beliebig viele irre Begnadigungen ausspricht und unser Militär für weitere sieben Tage befehligt.« Der progressive Stratege Murshid Sahid, ein ehemaliger Berater der sozialdemokratischen Senatorin Elisabeth Warren, bezeichnete McConnell als »faschismusaffinen Feigling«.

Tatsächlich nutzt der seine verbliebene Macht als Senatschef, um es erst in einigen Wochen oder Monaten zu einem »Prozess« kommen zu lassen. Eine dann erfolgende Verurteilung und Amtsenthebung des Ex-Präsidenten Trump würde nur mit einer Zweidrittelmehrheit der Senatoren möglich. Da aber 50 der 100 Senatoren zum Lager der Demokraten zählen, wäre die Partei auf die Unterstützung von mindestens 17 Republikanern angewiesen. Das wäre eine weitaus höhere Zahl von »Überläufern« als die mageren zehn republikanischen Abgeordneten, die am Mittwoch für das Impeachment stimmten. Ob diese Zahl zusammenkommt, ist ebenfalls fraglich.

Eine tatsächliche Amtsenthebung würde Trump die Rechte entziehen, die Ex-Präsidenten genießen, etwa staatliche Bodyguards oder eine üppige Pension, nicht aber automatisch das Recht, erneut für die Präsidentschaft in vier Jahren zu kandidieren. Wenn ihm der Senat dieses Recht versagen sollte, landet der Fall vermutlich vor dem Obersten Gericht - das dank Trumps Ernennungen von rechten Juristen dominiert wird.

McConnells Verhältnis zu Trump ist tatsächlich seit den kürzlichen Nachwahlen in Georgia auf einem Tiefpunkt angelangt. Den Präsidenten macht der Senatschef zu Recht für den Verlust der beiden Senatssitze des Bundesstaates und damit der Republikanerkontrolle des Senats verantwortlich. McConnell muss sich für mindestens zwei Jahre mit der Rolle des Minderheitenführer im Oberhaus abfinden. Dessen neuer Mehrheitsführer wird der demokratische New Yorker Senator Chuck Schumer. Gleichwohl ist es McConnells Anliegen, die Republikaner vor der Spaltung zu bewahren und ihren rechtsradikalen Trump-Flügel mit im Boot zu behalten.

Die täglichen Enthüllungen über die Umstände der Kapitol-Besetzung am 6. Januar erschweren diese Aufgabe. So erhärten sich die Vorwürfe, es habe sich statt der gewalttätigen Entladungen eines rechten »Mobs«, nur angeheizt von Trump, um mehr gehandelt. Bisher wurden auf der Grundlage von Fotos und Videos mehrere Dutzend Beteiligte, darunter auch Polizisten der Kapitolpolizei, festgenommen und verhört. »Hunderte weitere«, so Medienberichte, seien aus FBI-Sicht »Personen von Interesse«. Angeblich geht die Bundespolizei bis zu 100 000 Hinweisen und Dokumenten nach. Auch unabhängige Medienorganisationen stellen eigenständig Untersuchungen an.

Seit Mittwoch werden auch einige Abgeordnete der Republikaner als Verdachtspersonen in den Medien genannt, die angeblich an der Stürmung des Kapitols »von innen heraus« logistisch beteiligt waren. Die neu gewählte Abgeordnete Lauren Boebert, eine ausgewiesene Anhängerin des rechtsextremen QAnon-Klüngels, soll während der Stürmung live per Twitter ausposaunt haben, wo sich die Demokratin Nancy Pelosi versteckt hielt. Es soll Absprachen zwischen dem Kundgebungsorganisator und drei rechten Abgeordneten gegeben haben. Die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez sprach von ihrer Angst, gekidnappt oder gezielt umgebracht zu werden. Sie habe entsprechende Namen dem FBI weitergegeben, sagte sie. Zwei weitere linke Abgeordnete sagten aus, in ihren Büros seien die Alarmsysteme zerstört worden.

Die Mitte-rechts-orientierte Demokratin Mickie Sherill aus Montclair im Bundesstaat New Jersey kündigte Untersuchungen an, die einen oder mehrere »Inside Jobs« nachweisen könnten. Ihr seien am Tag vor der Kapitolsbesetzung ungewöhnlich viele Besichtigungen durch »merkwürdige Besuchergruppen« aufgefallen, die von Republikanerkollegen eingeladen worden waren, sagte sie. Sherill benutzte dabei den Begriff »Ausspähungsversuche«. Sie habe das FBI darüber informiert.

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