Methoden wie bei Schwerverbrechern

Staatsschutz gibt DNA-Analysen in Auftrag, um Urheber verfremdeter Bundeswehr-Plakate zu finden

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Eine kriminaltechnische Untersuchung, auch im Hinblick auf DNA-Spuren, wurde zur Ermittlung des oder der Tatverdächtigen in Auftrag gegeben«, erklärt der Berliner Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD). Es geht um eine Adbusting-Aktion zum Tag der Bundeswehr im Juni 2019, bei der Werbeplakate der Armee verfremdet worden sind.

Auf den ersten Blick konnte man denken, es handele sich um Werbeplakate der Bundeswehr. Das Logo und auch die Farbe passten. Doch der Text auf dem Poster ließ schnell erkennen, dass hier Adbuster*innen zugeschlagen hatten. Werbeposter der Bundeswehr gehören zu den bevorzugten Objekten der Kommunikationsguerilla. »Gas, Shoah, Schießen - MörderInnen (M,W,D) gesucht« stand im oberen Teil des verfremdeten Posters. Darunter fand sich ein kleiner historischer Exkurs: »Die Bundeswehr wurde von ehemaligen Nazigenerälen gegründet. Weiterhin entwickeln viele Soldat*innen ein rechtes Weltbild.«

Bundeswehr, Polizei und Justiz finden diese kreative Plakatveränderung gar nicht lustig. So gab es in den letzten Jahren mehrere Hausdurchsuchungen bei Personen, denen vorgeworfen wird, an Adbusting-Aktionen beteiligt gewesen zu sein (»nd« berichtete).

Der damit betriebene Ermittlungsaufwand stößt bei Anne Helm, Co-Vorsitzende der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, und deren innenpolitischem Sprecher Niklas Schrader auf Unverständnis. In der Antwort auf eine von ihnen gestellte schriftliche Anfrage bestätigte Staatssekretär Akmann die in Auftrag gegebene DNA-Analyse. Für zehn Plakate habe der Polizeiliche Staatsschutz die Untersuchung in Auftrag gegeben. Und das, obwohl das Verfahren bereits drei Monate nach der Tat, Ende September 2019, eingestellt worden ist. Täter*innen konnten nicht ermittelt werden.

Ergebnisse der DNA-Analyse liegen laut Akmann auch anderthalb Jahre später nicht vor. Für Niklas Schrader ist das keine Überraschung. »Die Analysen dauern lange. Bei der Berliner Polizei stapeln sich die DNA-Analysen seit Jahren«, sagt er dem »nd«. Weil die Kapazitäten beim Landeskriminalamt nicht ausreichten, würden Aufträge dafür in großem Stil an externe Labore vergeben.

Angesichts diese Lage will es Schrader schon gar nicht in den Kopf, dass mit DNA-Analysen Taten verfolgt werden, deren Strafbarkeit nicht einmal feststeht. Eine Sichtweise, die sogar Torsten Akmann in der Antwort auf die Anfrage der Linke-Politiker*innen bestätigt. In einem Adbusting-Fall vom 1. Mai 2020 hat die Justiz die Hausdurchsuchung bei einem Tatverdächtigen abgelehnt und die Einstellung des Verfahrens verfügt. Dies sei laut Akmann »mangels Anfangsverdachts für den Vorwurf der Urkundenfälschung sowie mangels Vorliegens von objektiven Anhaltspunkten für die Strafbarkeit« erfolgt.

Auch der Strafrechtler Professor Mohamad El-Ghazi von der Universität Trier erinnert im Gespräch mit »nd« an die Einstellung mehrerer Adbusting-Verfahren, weil keine Strafbarkeit festgestellt werden konnte. In den Fällen sei beispielsweise das ursprüngliche Plakat nicht entwendet, sondern nur verdeckt worden. Selbst in Fällen, in denen ein Plakat verschwunden ist oder beschädigt wurde, handele es sich um Schäden im niedrigen Eurobereich. »Dass die Durchführung einer DNA-Analyse und die mögliche Speicherung der DNA-Identifizierungsmuster in der DNA-Datei beim Bundeskriminalamt juristisch nicht unproblematisch ist, liegt bei solchen Bagatelldelikten auf der Hand«, betont El-Ghazi. Für den Strafrechtler ist klar, dass die Analysedaten vernichtet werden müssen, wenn keine Strafbarkeit des Adbusting festgestellt wird. Sie dürften auf keinen Fall in der Polizei-Datenbank gespeichert werden. Ansonsten würden die DNA-Daten einer bestimmten Person zugeordnet, die nachträglich gegen die Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerichtlich vorgehen müsste.

Linke-Politiker Niklas Schrader fordert klarere und engere Regeln für die Voraussetzungen zur Anordnung einer DNA-Analyse. Das würde auch Geld und Ressourcen der überlasteten Labore sparen helfen.

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