Räumung aus Profitgier

Langjähriger Mieter sollte zwangsweise mitten im Corona-Winter seine Wohnung in Regensburg verlassen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Trotz Corona Zwangsräumung aus Profitgier« - steht auf einem Transparent, das in den letzten Tagen aus Fenstern eines Wohnhauses in Regensburg hing. Dort lebt seit fast 35 Jahren der Theatermacher Kurt Raster. Am 19. Januar sollte seine Wohnung mitten im Corona-Winter zwangsgeräumt werden. Vorausgegangen war eine mehrjährige Auseinandersetzung um eine fehlende Heizung in der Wohnung, die zu einer Mietminderung führte. Die komplexe Geschichte ist auf der Homepage der Initiative »Recht auf Stadt - Regensburg«, die von Raster mitgegründet wurde, ausführlich dokumentiert.

Einen Teil der Möbel hatte Raster bereits bei einen Freund untergestellt. Am Dienstagvormittag erreichte ihn die Meldung, dass der Gerichtsvollzieher, der 14 Uhr die Wohnung versiegeln wollte, nicht kommen wird. Die Zwangsräumung wurde ausgesetzt, weil die Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann, dass Raster selbstmordgefährdet ist, wenn er seine Wohnung verliert. Im Gespräch mit »nd« sagt der, er sei froh, dass er nicht mitten im Corona-Winter obdachlos geworden ist.

Doch von einem politischen Erfolg kann, so Raster, keine Rede sein. Schließlich hat der Richter ausdrücklich erklärt, dass die Corona-Pandemie kein hinreichender Grund sei, eine Zwangsräumung abzusagen. Er verwies lediglich auf die suizidalen Tendenzen. »Statt über die gesellschaftlichen Gründe einer Zwangsräumung wird über meine Psyche gesprochen«, moniert Raster. Es besteht die Gefahr, dass er sich ärztlich begutachten lassen muss, denn die Räumung ist nur aufgeschoben. Daher geht für ihn der Kampf weiter.

Am Dienstag beteiligten sich etwa 20 Mietrebellen an einer Kundgebung vor dem Haus, in dem Raster wohnt. Der Protest richtete sich gegen Zwangsräumungen und dagegen, dass Wohnungen aus der Sozialbindung fallen und von Immobilienkonzernen dann wesentlich teurer vermietet werden.

Als Raster 1986 die Wohnung bezog, gehörte das Haus einer gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft. Er freute sich über eine geräumige, bezahlbare Mansardenwohnung, dachte: »Hier bleibst du, bist du stirbst. Da kannst du auch was investieren«, erzählt Raster dem »nd«. Doch dann kam der Schock. Die Sozialbindung lief aus, 2003 wurde die Wohnung an den Immobilienkonzern Annington verkauft, der heute Vonovia heißt. »Nun kamen die Mieterhöhungen so pünktlich, dass die Mieter die Uhr danach stellen konnten«, so Raster. 2011 wurde seine Wohnung an ein Ehepaar verkauft. Auseinandersetzungen um nicht getätigte Reparaturen, Mieterhöhungen und überhöhte Nebenkosten begannen.

Auch nach der vorläufigen Aussetzung der Räumung kämpft Raster weiter. Kürzlich hat er gemeinsam mit der Initiative »Recht auf Stadt - Regensburg« die Onlinepetition für ein Zwangsräumungsmoratorium in Coronazeiten initiiert. »Während die Bürger*innen verpflichtet werden, zu Hause zu bleiben, und Kontakte per Bußgeld streng reglementiert sind, werden Menschen aus ihren Wohnungen geworfen. Der Widersinn ist offensichtlich!«, heißt es darin. Mit 50 000 Unterstützungsunterschriften hat sich Raster ein großes Ziel gesetzt. Er will eine Debatte über den Widersinn auslösen, dass in Zeiten, in denen »Bleib zu Hause« die offizielle Devise ist, Wohnungen zwangsweise geräumt werden.

Die Petition kann hier unterzeichnet werden.

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