Prozessbeginn: Nazidevotionalien, Kriegswaffen und Sprengstoff im Garten

Ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr muss sich für den brisanten Inhalt eines privaten Depots verantworten

Das Landgericht Leipzig befasst sich ab Freitag mit dem Fall eines offenbar rechtsradikalen Soldaten der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Der 45-jährige Oberstabsfeldwebel wurde mittlerweile aus dem KSK entlassen. Ein Waffenfund löste im Mai 2020 die KSK-Affäre aus, die das Verteidigungsministerium seither öffentlich aufarbeiten muss.

Rückblick: Am 13. Mai 2020 gibt die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden bekannt, dass auf einem Privatgrundstück des damaligen KSK-Soldaten Philipp S. in Collm (Landkreis Nordsachsen) Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden wurden. Das Depot hat es in sich. Eine Kalaschnikow polnischer Fabrikation, mehrere Tausend Schuss Munition und insgesamt zwei Kilogramm PETN-Plastiksprengstoff. Auch im Wohnhaus werden die Ermittler fündig: Nebel- und Übungsgranaten, Teile einer abgefeuerten Panzerfaust, ein Schalldämpfer sowie Messer und ein Teleskopschlagstock. Rückschlüsse auf die politische Gesinnung des Elitesoldaten untermauern die Funde im Haus, zu denen laut MDR ein SS-Liederbuch, eine Zeitschrift für ehemalige Angehörige der Waffen-SS sowie weitere rechtsextreme Schriften gehörten. In Chatnachrichten verwendete der 45-Jährige wohl immer wieder auch SS-Runen. Die Adressaten: KSK-Kameraden. In den darauffolgenden Monaten werden weitere Details der Ermittlungen gegen den Oberstabsfeldwebel bekannt. So gab es Kontakte, die nach Mecklenburg-Vorpommern und zu der dort auffällig gewordenen Prepper-Gruppe »Nordkreuz« führen. Philipp S. hatte mindestens Kontakt zu zwei Polizisten und dem Betreiber eines Schießstands. Dieser sorgte zuletzt für Aufsehen, als bekannt wurde, dass der ehemalige Innenminister vom Mecklenburg-Vorpommern Lorenz Caffier (CDU) dort eine Schusswaffe gekauft hatte, als längst gegen die »Nordkreuz-Gruppe« und das »Uniter-Netzwerk« ermittelt wurde.

Über die mutmaßlich rechtsradikale Gesinnung von Philipp S., die im Prozess wohl nur eine nachgeordnete Rolle spielen soll, war die Bundeswehr schon seit 2017 im Bilde. Damals wurde bei einer Verabschiedungsfeier für den KSK-Kompaniechef Pascal D. nicht nur reichlich rechtsradikale Musik gespielt, sondern auch der Hitlergruß gezeigt und - wohl um sich der eigenen Härte zu versichern - ein martialisches Schweinekopfwerfen veranstaltet. Für die durch eine Zeugin öffentlich gemachten Verfehlungen akzeptierte Oberstleutnant Pascal D. einen Strafbefehl, angeblich, um die schutzbedürftigen Identitäten der KSK-Kameraden nicht offenlegen zu müssen.

Nach dem Zugriff in Collm gab es offensichtlich Handlungsdruck bei der Bundeswehr. Erst wenige Tage zuvor hatte der Militärische Abschirmdienst BAMAD seinen ersten Jahresbericht veröffentlicht. Das Amt stufte demnach nur acht Bundeswehrangehörige als Rechtsextremisten ein und fand lediglich zwei Reichsbürger. Eine eklatante Falschbeurteilung der Lage, denn kaum zwei Monate nach dem Jahresbericht steht im Raum, die rund 1400 Soldat*innen umfassende KSK-Truppe möglicherweise komplett aufzulösen. Das Verteidigungsministerium startete eine Öffentlichkeitsoffensive und löste die als nicht reformierbar eingeschätzte 2. Kompanie komplett auf. Mittlereile rückte das Ministerium aber von der Auflösung des gesamten KSK wieder ab.

Auf dem rechten Weg
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Rund um den in Leipzig angeklagten Philipp S. versiegen die Erkenntnisse derzeit nicht. Der Rechercheverbund von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« berichtete in der vergangenen Woche von einem Ex-KSK-Soldaten, der in Kontakt mit Philipp S. stand. Der 2012 regulär aus dem Dienst ausgeschiedene KSK-Soldat hatte seither eine Ranch in Namibia betrieben. Laut den Recherchen sorgte diese Verbindung gleich mehrfach für Handlungsbedarf im Verteidigungsministerium, denn der Ex-Soldat hatte sich zwischenzeitlich für einen Wiedereinstieg in die KSK-Truppe beworben. Dieser sei ihm 2019 auch zugesagt worden, zum Dienstantritt kam es jedoch nicht mehr: Einstellung verweigert.

Als reiche das nicht aus, scheint die Ranch des Ex-Soldaten, der in Namibia Safaris anbietet, in den vergangenen Jahren teils auch dienstlich vom KSK für Trainings genutzt worden zu sein. Wie eng diese Verbindungen waren und ob eventuell eine rechtswidrige Vergabepraxis von Aufträgen durch die zuständige Bundeswehrverwaltung stattfand, beschäftigt die Ermittler weiterhin. Philipp S. war nach den Funden zunächst in Untersuchungshaft, da die Staatsanwaltschaft von Flucht- und Verdunkelungsgefahr ausging. Nach der Anklage wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie das Sprengstoffgesetz wurde der Haftbefehl gegen S. im Dezember 2020 gegen eine Sicherheitsleistung von 15 000 Euro und bei verhängten Meldeauflagen wieder außer Kraft gesetzt.

Die engen privaten Verhältnisse von aktiven und ehemaligen KSK-Soldaten sowie Polizisten bis hin zu Soldaten und Beamten aus dem BAMAD stellen die Sicherheitsbehörden vor eine große Herausforderung. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschuldigten und ihre Kontaktpersonen auch Kontakte in die ermittelnden Sicherheitsbehörden unterhalten. Dass über diese Verbindungen Ermittlungsdetails und Warnungen weitergeleitet werden, konnte bislang nicht belegt werden. Ein erfolgloses Verfahren richtete sich gegen einen Beamten des BAMAD, der den Kopf des Uniter-Netzwerkes und Ex-KSK-Soldaten André S., Deckname Hannibal, vor einer Kasernendurchsuchung gewarnt haben soll.

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