»Gewalt, Folter und gezielte Repression«

Amnesty International dokumentiert Menschenrechtsverletzungen in ägyptischen Gefängnissen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Zehn Jahre nach dem sogenannten Arabischen Frühling sieht die Menschenrechtsbilanz Ägyptens finster aus. Amnesty International wirft dem ägyptischen Staat vor, elementare Grundrechte in seinen Gefängnissen systematisch zu missachten. In Ägypten seien Tausende Menschen inhaftiert, »die sich an vorderster Front für soziale und politische Gerechtigkeit eingesetzt haben oder die in unfairen Verfahren vor Militärgerichten verurteilt wurden«.

Am Montag hat Amnesty International einen 74-seitigen Bericht vorgestellt, der ein katastrophales Bild der Haftbedingungen in ägyptischen Gefängnissen zeichnet. Der Bericht stützt sich auf persönliche Erfahrungen von 67 Gefängnisinsassen aus drei Frauen- und dreizehn Männergefängnissen. Den Gefangenen werde gezielt die Erfüllung von Grundbedürfnissen und der Schutz vor dem Coronavirus verwehrt, kritisierte die Menschenrechtsorganisation. »Folter, Misshandlungen und gezielte Unterversorgung« blieben auch während der Pandemie in ägyptischen Gefängnissen »an der Tagesordnung«. Gefangene seien in den »völlig überfüllten Gefängnissen des Landes eingepfercht«, erklärte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko.

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Amnesty zitiert den Fall von Abdelmoniem Aboulfotoh (69), ehemaliger Präsidentschaftskandidat und Gründer der Oppositionspartei Misr Al-Qawia. Seit Februar 2018 sei er willkürlich in Einzelhaft und leide an Diabetes, Bluthochdruck sowie einer vergrößerten Prostata. Laut Amnesty haben die Gefängnisbehörden seine Anträge auf Behandlung außerhalb des Gefängnisses wiederholt abgelehnt und den Zugang zu Ärzt*innen im Gefängnis hinausgezögert.

Die Organisation untersuchte nach eigenen Angaben den Tod von zwölf Gefangenen, die in der Haft oder kurz nach ihrer Freilassung gestorben waren, und hat Kenntnis von 37 weiteren Todesfällen im Jahr 2020. Schätzungen ägyptischer Menschenrechtsgruppen zufolge sind seit 2013 Hunderte Menschen in Gewahrsam gestorben. Doch die Behörden weigern sich laut Amnesty, Zahlen zu veröffentlichen und unabhängige Untersuchungen der Todesfälle zuzulassen.

Die Zahl der Gefangenen war nach dem Sturz des verstorbenen ehemaligen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 sprunghaft angestiegen. Dadurch habe sich »die ohnehin schon unmenschliche Überbelegung in ägyptischen Gefängnissen verschlimmert«, erklärte Amnesty. Zwei ehemalige weibliche Gefangene berichteten der Organisation zufolge, dass das medizinische Personal des Gefängnisses sie sexuell missbraucht und belästigt habe.

Der Amnesty-Bericht erinnere einmal mehr daran, wie die ägyptische Regierung auch zehn Jahre nach dem »Arabischen Frühling« tagtäglich »Gewalt, Folter und gezielte Repression einsetzt«, erklärte Beeko. Die Bundesregierung und die EU dürften »nicht länger wegschauen«. Sie müssten ihre wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Ägypten an die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards koppeln. Es sei überfällig, dass Deutschland und die EU »endlich Position für die Menschenrechte und gegen Folter und Unterdrückung in Ägypten beziehen«.

Die deutsche Bundesregierung weiß um die Menschenrechtssituation in Ägypten, dennoch ist das Land zum Hauptempfänger deutscher Waffen und militärischer Ausrüstung aufgestiegen: 764 Millionen Euro waren es allein im vergangenen Jahr. Was die ägyptische Regierung mit diesem Kriegsgerät treibt, vollzieht sich unter den Augen der Weltöffentlichkeit: Ägypten ist verstrickt in den Jemen-Krieg, der eine humanitäre Katastrophe ausgelöst hat; in Libyen unterstützt das Land General Haftar im Kampf gegen die international anerkannte libysche Regierung; und beim Streit um Gasfelder im Mittelmeer hat die ägyptische Regierung auch ihre Finger im Spiel. Offensichtlich schielt sie auf eine regionale Führungsrolle.

All das ist auch der deutschen Regierung bekannt, dennoch werden weiterhin Rüstungsgüter an Ägypten verkauft. Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Bärbel Kofler (SPD), kritisiert die deutschen Rüstungsexporte nach Ägypten. »Da dort massiv gegen Menschenrechte verstoßen wird, müssen wir eine deutliche Sprache sprechen«, sagte sie kürzlich im Interview mit epd. Zu einem Politikwechsel hat sie ihre eigene Regierung aber nicht bewegen können. Mit Agenturen

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