nd-aktuell.de / 26.01.2021 / Politik / Seite 1

Bundesregierung soll Armen endlich helfen

36 Organisationen verlangen höhere Hartz-IV-Sätze und finanzielle Corona-Unterstützung

Markus Drescher

»Solidarität ist das Gebot der Stunde – besonders gegenüber jenen Menschen, die ohnehin zu den Ärmsten in dieser Gesellschaft zu zählen sind.« 36 Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände und Organisationen aus den Bereichen Kultur, Wohnen, Umwelt, Selbsthilfe und Gesundheit fordern mit einem Aufruf, der am Montag veröffentlicht wurde, nicht nur abstrakte Solidarität in der Coronakrise, wie es ja durchaus auch vonseiten der politisch Verantwortlichen regelmäßig getan wird. Ganz konkret geht es dem breiten gesellschaftlichen Bündnis um: »Soforthilfen für die Armen – jetzt!!«

Diese Hilfen, die die Unterzeichner des Aufrufs von der Bundesregierung einfordern, umfassen zum einen für Bezieher von Hartz IV, Grundsicherung für Alte und Erwerbsgeminderte »die bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze auf mindestens 600 Euro sowie für die Dauer der Krise einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro«. Für alle Kinder und Jugendlichen aus einkommensschwachen Haushalten verlangt das Bündnis »Hard- und Software sowie weitere Lernmittel, die für die Nutzung der digitalen Bildungsangebote der Schulen notwendig sind, als einmalige Leistungen der Jobcenter«. Zudem müsse es ein erneutes

Kündigungsschutz- sowie ein Kreditmoratorium geben, »um sicherzustellen, dass niemand aufgrund pandemiebedingter Einkommensverluste die Wohnung verliert«, und »um zu verhindern, dass Menschen aufgrund ihrer sozialen Situation in Existenznot geraten«.

Unterstützung für seine Forderungen bekommt das Bündnis von Linkspartei und Grünen. So erklärte Susanne Schaper, sozial- und gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im sächsischen Landtag: »Wir unterschreiben jede Zeile des Aufrufs. Wer wenig Geld hat, ist von der Pandemie viel stärker betroffen als Menschen mit existenzsichernden Einkommen.« Die Gefahr sei groß, »dass Corona auch das Armutsproblem in unserem Land verschärft – schon weil die Preise für medizinische Masken wegen der neuen Tragepflicht weiter steigen dürften«, so Schaper. »Es stimmt: Solidarität ist das Gebot der Stunde. Deshalb streiten wir weiter für ein gerechtes Steuersystem und eine Corona-Vermögensabgabe der Superreichen.«

Für Sven Lehmann ist »der gemeinsame Aufruf dieses außergewöhnlichen Bündnisses«, so der sozialpolitische Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, ein »Warnruf an Bundesarbeitsminister Heil. Er muss jetzt dringend Corona-Soforthilfen für die Ärmsten in unserer Gesellschaft auf den Weg bringen.« Mit allen Mitteln müsse verhindert werden, »dass die Corona-Krise weiter zur verschärften Armutskrise wird«. Es mache fassungslos, dass die Große Koalition seit einem dreiviertel Jahr zusätzliche Hilfen für arme Menschen blockiere und »ihre Leiden ignoriert«, so Lehmann. »Die Grundsicherung in Deutschland war schon vor der Corona-Krise zu niedrig und bisher hat die Bundesregierung alles getan, dass das auch so bleibt. Damit muss Schluss sein.«