Clubhouse: Digitales Tresenblubbern

Wolfgang Hübner über Politikerauftritte in der Clubhouse-App

Erinnern Sie sich noch an die Aufregung, als Wolfgang Schäuble 2012, damals Finanzminister, während einer Bundestagsdebatte über die EU-Finanzkrise beim Sudokuspiel beobachtet wurde? »Die Welt« verteidigte mannhaft das Recht auf Entspannung. Derzeit mokiert sie sich über Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow – der Linke-Politiker hatte u.a. erzählt, dass er beim letzten Corona-Gipfel auf seinem Handy herumspielte.

Ein schönes Beispiel für zweierlei Maßstäbe. Empörung führen auch die Generalsekretäre von CDU und CSU vor, die Ramelows Rücktritt fordern. Das ist ungelenke Wahlkampfgymnastik. Interessanter ist die Frage, was Politiker wie Ramelow auf die Smartphone-App Clubhouse treibt, wo er seine kleine Beichte ablegte. Dort treffen sich junge Leute und Politiker zum angeblich zwanglosen, nicht öffentlichen Gespräch. Nicht öffentlich – bei bis zu 1000 Teilnehmern, darunter Journalisten? Eine verlockende Gelegenheit für Politiker, ein anderes Publikum zu erreichen als in Versammlungen. Die natürlich Gegenstand öffentlichen Interesses wird, zumal dann, wenn hemdsärmelig dahergeredet wird. Gewiss, niemand mag aseptische Politiker. Aber wissen sollten sie schon, dass der digitale Tresen keine stille Kumpelecke ist, sondern eine politische Bühne. Genau deshalb gehen sie ja dorthin.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal