Kipping: Die Schuldenbremse »gehört entsorgt«

Während die Union beim Vorschlag aus dem Kanzleramt abwinkt, zeigen sich SPD, Grüne und Linke offen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Mit der Forderung nach einem Umbau der Schuldenbremse hat Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) am Dienstag das politische Berlin überrascht. Er fordert, in den nächsten Jahren in begrenztem Umfang mehr Neuverschuldung zuzulassen als eigentlich vorgesehen. Brauns Parteikollegen reagieren mit klarer Ablehnung - in der Unionsfraktion sei das »keine mehrheitsfähige Position«, sagt der Vorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU). Zustimmung kam hingegen von den Grünen und der SPD. Eine Regierungssprecherin stufte Brauns Vorstoß als »persönlichen Meinungsbeitrag« ein.

»Die Schuldenbremse ist in den kommenden Jahren auch bei ansonsten strenger Ausgabendisziplin nicht einzuhalten«, konstatierte Braun in einem Beitrag für das »Handelsblatt«. Für 2020 und 2021 war eine Ausnahmeregelung genutzt worden - dies will der Kanzleramtschef aber nicht fortschreiben, weil so ein »Tor zur dauerhaften Aufweichung der Schuldenregel« geöffnet werde.

Stattdessen sei es sinnvoll, »eine Erholungsstrategie für die Wirtschaft in Deutschland mit einer Grundgesetzänderung zu verbinden, die begrenzt für die kommenden Jahre einen verlässlichen degressiven Korridor für die Neuverschuldung vorsieht und ein klares Datum für die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenregel vorschreibt«, schrieb Braun. Der zusätzliche Verschuldungsspielraum solle es ermöglichen, finanzielle Zusatzbelastungen für Bürger und Unternehmen zu verhindern.

»Es ist eine Sache, die uns auch irritiert hat«, kommentierte Brinkhaus den Vorschlag. Dieser sei eine »persönliche Meinungsäußerung«, wie sie jedem zustehe. Die Fraktion bleibe aber auf ihrer »ordnungspolitischen Linie«, sagte Brinkhaus in Berlin. Auch der haushaltspolitische Sprecher Eckhardt Rehberg (CDU) erklärte, die Fraktion »hält an der Schuldenbremse im Grundgesetz fest«. Eine klare Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es am Dienstag nicht. Nach AFP-Informationen äußerte sie sich in der Fraktionssitzung von CDU/CSU nicht zu dem Thema.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von einem »interessanten Gastbeitrag« Brauns. Er wies allerdings auf hohe Hürden bei der Umsetzung hin: »Neben vielen Vorzügen macht dieser Vorschlag hohe gesetzgeberische Eingriffe nötig, die einen breiten parteiübergreifenden Konsens voraussetzen.« Scholz hatte bislang dafür plädiert, die Schuldenbremse ab 2022 wieder einzuhalten. Laut Parteitagsbeschluss will die SPD allerdings die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form »perspektivisch überwinden«.

»Helge Braun hat recht: Die Schuldenbremse ist so künftig nicht mehr einzuhalten«, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie sei »gespannt, ob die Union den Mut hat, sich zu bewegen«. Unterstützung kam auch vom Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck. »Gut, dass das Kanzleramt und Helge Braun den Mut finden, die Wahrheit auszusprechen«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung«. »Statt Kreditaufnahme einfach generell zu erlauben, sollten wir sie auf Nettoinvestitionen beschränken, die das öffentliche Vermögen und unseren Wohlstand erhöhen«, betonte Habeck zugleich.

Linken-Chefin Katja Kipping sagte der »Welt«, die Schuldenbremse sei vor allem eins: »Eine Investitionsbremse und damit volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Sie gehört entsorgt.« Was Braun vorschlage, sei zwar besser »als der bisherige Schuldenbremsen-Fetischismus der Union«, reiche aber nicht. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal