Mit besonderer Macht kommt besondere Verantwortung

DER FEIND STEHT RECHTS: Stephan Anpalagan findet, die Polizei muss besser sein als nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.

  • Stephan Anpalagan
  • Lesedauer: 4 Min.

Alle Jubeljahre gibt es in Deutschland eine Umfrage darüber, welches die beliebtesten, angesehensten und ehrbarsten Berufe in Deutschland sind. Und wenig überraschend landen immer wieder dieselben Berufsgruppen auf den vordersten Plätzen: Ärztinnen, Feuerwehrleute, Krankenpfleger, Polizeibeamte, gefolgt von Richterinnen und den Menschen in den Entsorgungsbetrieben. Früher auch unter dem Namen »Müllmann« bekannt.

Der Dienst an der Allgemeinheit, überhaupt der Dienst am Menschen, ist in Deutschland in besonderer Weise angesehen. Das ist verständlich und gilt in besonderer Weise für Polizistinnen und Polizisten.

Stephan Anpalagan
Stephan Anpalagan ist Journalist und Musiker. Seine Texte haben den Schwerpunkt Rechtsextremismus. Anpalagan ist zudem Geschäftsführer der gemeinnützigen Unternehmensberatung „Demokratie in Arbeit“. Für "neues deutschland" schreibt er die monatliche Kolumne „Der Feind steht rechts“.

Denn wer sich mit seiner körperlichen Unversehrtheit, mit Leib und Leben dafür einsetzt, dass die Freiheit und die Demokratie in unserem Land geschützt werden, der hat nichts anderes als unsere höchste Achtung und unseren höchsten Respekt verdient. Uneingeschränkt und ohne jegliche Ausnahme.

Wer sich der realen Gefahr aussetzt, angegriffen, beleidigt oder im Dienst gar getötet zu werden, der hat es verdient, dass wir diesen Einsatz in besonderer Weise würdigen. Und mit wir meine ich tatsächlich: »wir«. Wir alle. Als Gesellschaft, aber auch jede*r Einzelne von uns.

Wer sich in diesen besonderen Dienst begibt, hat es verdient, dass er und sie vernünftig ausgebildet, ausgerüstet und ausgestattet werden. Er und sie haben es verdient, dass sie vernünftig bezahlt und in besonderer Weise geschützt werden. Dass sich die Dienstherren in besonderer Weise für Polizistinnen und Polizisten einsetzen. Dass sie von uns allen in besonderer Weise geachtet werden.

Dazu gehört auch, dass Polizistinnen und Polizisten in besonderer Weise mandatiert sind, dass sie Eingriffsbefugnisse und Eingriffsrechte erhalten, dass sie befähigt werden, ihre Arbeit jederzeit professionell auszuüben.

Mit alledem, mit der besonderen Ausbildung, der besonderen Ausrüstung, der besonderen Ausstattung, den gesonderten Befugnissen, den Mandaten, der besonderen Stellung in unserer Gesellschaft, geht aber auch eine besondere Verantwortung einher. Mit besonderer Macht kommt auch besondere Verantwortung - ein Satz, den die meisten von uns aus dem »Star Wars«- und »Spiderman«-Universum kennen könnten. Ein Satz, der in besonderer Weise auf die Polizei zutrifft.

Wer all diese Macht auf sich vereint, der muss sich in besonderer Weise verhalten. Der muss besser sein als nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, darf diese Macht niemals missbrauchen oder sie zum eigenen Vorteil einsetzen. Diese Macht erhält nur, wer auch eine besondere Bürde auf sich nimmt. Wer bereit ist, mit einem Schwur auf unsere Verfassung, einem Amtseid, zu besiegeln, dass er und sie bereit sind, unsere Verfassung, unsere Freiheit und unsere Demokratie kompromisslos zu verteidigen. Auch gegen Feinde, die im Inneren des Polizeiapparats lauern.

Es reicht ein einziger, einzelner Polizist, um das Ansehen der gesamten Polizei irreparabel zu beschädigen. Es reicht ein zweiter Polizist, dass sich dieser Schaden ohne Hoffnung auf Reparatur in die Öffentlichkeit, in die Gesellschaft hineinfrisst.

Gerade dann, wenn diejenigen, die von den polizeilichen Grenzüberschreitungen betroffen sind, einer Minderheit angehören und zu den Schwächsten unserer Gesellschaft zählen.

All die Aufregung, die Wut und die zuweilen unbändigen und entfesselten Emotionen gegenüber der Vielzahl an »Einzelfällen« haben auch damit zu tun, dass das Vertrauen in die Polizei missbraucht und verletzt wurde. Dass diejenigen, die uns schützen und verteidigen sollen, dieses nicht nur aus Unfähigkeit, sondern auch aus Unwillen heraus nicht tun. Dass die Weigerung, solches Fehlverhalten zu ahnden, tief in die politische Mitte eingedrungen und innerhalb der Polizeiorganisation strukturell verankert ist.

Das ist bitter und bedauerlich. Und es kann so nicht bleiben. Der Wunsch nach einer besseren, transparenteren Polizei unter demokratischer Kontrolle geht zurück auf Schutzgüter von Verfassungsrang: dem Wunsch, dass der Staat die Menschenwürde zu allen Zeiten verteidigt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, dass niemand in diesem Land um Leib und Leben fürchten muss.

Dieses sicherzustellen ist Aufgabe der Polizei. Denn mit großer Macht kommt große Verantwortung. Der Vertrauensvorschuss in die beliebteste Berufsgruppe ist ungebrochen. Aber nicht mehr lange.

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