Schadensinventur nach Baggereinsatz

Möbelhausprojekt der Krieger-Gruppe in Kiel ruft Stadt und Umweltschützer auf den Plan

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ansiedlung eines neuen Möbelhauses der Unternehmensgruppe Krieger in Kiel ist schon seit Jahren ein Politikum. Für das Projekt wurde eine Schrebergartenanlage geopfert - dann tat sich trotz versprochener Jobs lange nichts, um nun durch Zerstörung wertvoller Naturschutzflächen wieder Schlagzeilen zu machen. Ein Bürgerentscheid gegen das Projekt war im Jahr 2014 mit knapper Mehrheit gescheitert.

Die Aufregung in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt ist groß. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie ein Strafverfahren einleitet; die Stadt Kiel will wegen Verstoßes gegen das Artenschutzgesetz ein Bußgeld verhängen, das bis zu 50 000 Euro betragen könnte. Bereits im November waren auf einem Areal, dessen Größe etwa der Fläche von acht Sportplätzen entspricht, Baumaschinen zu Bodenbereinigungsmaßnahmen eingesetzt worden. In einer Vorbesprechung war eine vorsichtige Herangehensweise vereinbart worden, doch stattdessen wurde flächendeckend herausgerissen, abgeholzt oder planiert.

Eine Kontrolle durch die Stadt gab es nicht, der ökologische Schaden ist immens. Die Öffentlichkeit bekam davon aber erst jetzt durch einen Bericht im NDR Kenntnis. Den Verantwortlichen im Kieler Umweltamt wird daher vorgeworfen, den Frevel unter der Decke halten zu wollen. Von Krieger heißt es dazu, es habe sich um ein bedauerliches Versehen gehandelt. Ein Baggerfahrer sei »in Schwung« gewesen und habe das Grünzeug entfernt. Augenzeugen berichten jedoch von mehreren schweren Baumaschinen, die hier gewütet hätten.

Der Vorgang ist aus Sicht des Naturschutzbundes (Nabu) in Kiel aber mehr als eine Lappalie. Die Lebensräume des Kammmolchs und von rund fünf Dutzend Gehölzbrütern seien zerstört worden. Ferner spricht der Nabu von einem Tötungsdelikt an Fledermäusen im Winterquartier. Das Unternehmen zeigt sich reumütig und will die Kosten für einen Gutachter zahlen, der nun eine Schadensinventur vornehmen soll.

Die Gegner des Bauprojekts sehen sich in ihrer Haltung bestätigt. Und bei den Kieler Grünen findet offenbar ein Sinneswandel statt. Sie hatten beim Bürgerentscheid noch für die Ansiedlung geworben, für die Kreisvorsitzende Anna Langsch ist dies inzwischen ein Fehler.

Die Krieger-Gruppe wollte in Kiel zunächst einen Möbel-Kraft-Standort in direkter Nähe zur Autobahn schaffen, warb mit der Schaffung von bis zu 300 dauerhaften und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Nach dem gewonnenen Bürgerentscheid und der Beseitigung von 340 Parzellen einer Kleingartenanlage passierte zwei Jahre aber nichts. Krieger redete sich mit angeblichen juristischen Prüfungen heraus. Dann verlangte die Stadt ultimativ bis Ende 2021 die Eröffnung des Möbelhauses, andernfalls sei der Grundstückserwerb obsolet.

Im Jahr 2017 ließ sich zudem eine Bauwagengruppe namens »Schlagloch« auf dem Areal nieder, um auf fehlenden billigen Wohnraum in Kiel aufmerksam zu machen. Die Aktion wurde mit repressiven Mitteln beendet. Krieger wiederum meldete sich im Oktober 2018 mit der Baugenehmigung und etwas revidierten Plänen zurück: Man kündigte nun eine Filiale von Höffner und dem angeschlossenen Discounter Sconto an. Da Krieger bereits in Duisburg und Düsseldorf Projekte cancelte, wuchsen die Zweifel auch im hohen Norden. 2019 erfolgten aber erste Erschließungsarbeiten, im Frühjahr 2020 dann ein zaghafter Baustart.

Die vorgesehene Möbelhausfläche soll auf drei Seiten von einem Grüngürtel umgeben sein - als Ausgleich und Kompensation für die weggefallenen Kleingärten. Genau auf diesem Gebiet wütete nun mindestens ein Bagger.

Svenja Bierwirth, umweltpolitische Sprecherin der Linken in Kiel, blickt noch mal zurück auf das Jahr 2017. Zu den »Schlagloch«-Besetzern meint sie: »Wenn die Aktivisten dort geduldet worden wären, hätten sie in den dreieinhalb Jahren, die seither vergangen sind, wohl kaum so viel Schaden anrichten können wie die Planierraupen von Höffner jetzt in wenigen Tagen.«

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