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Conte kann sich Hoffnungen machen

In Italien scheint sich ein Ausweg aus der Regierungskrise ohne Neuwahlen anzudeuten

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Konsultationen mit Repräsentanten aller Parteien drängt Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella zügig auf die Bildung einer neuen Regierung. Um die Verhandlungen zu erleichtern, beauftragte der Präsident nicht den bisherigen Amtsinhaber Giuseppe Conte mit den Sondierungen, sondern die Nummer drei im Staat, Abgeordnetenhauschef Roberto Fico. Der Fünf-Sterne-Politiker hatte sich aus den Querelen der vergangenen Wochen herausgehalten und gilt als besonnener Verhandler. Bereits nach den ersten beiden Konsultationstagen am Wochenende deuten sich Erfolge an: Die Parteien der bisherigen Parlamentsmehrheit wie auch die kleinen unabhängigen Gruppierungen erklärten ihren Willen, eine politische Regierung ins Leben zu rufen. Weder Neuwahlen noch eine technische Administration brächten die dringenden Probleme des Landes einer Lösung näher, lautete der Grundkonsens.

Politiker der beiden stärksten Koalitionspartner, 5-Sterne-Bewegung (M5S) und sozialdemokratische Partito Democratico (Pd), sprachen sich für die Bildung einer Regierung unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte aus. Zustimmung kam auch vom dritten Koalitionspartner Liberi e Uguali (LeU, Freie und Gleiche). Mit dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses kamen die Verhandlungspartner überein, einen schriftlichen Regierungsvertrag auszuarbeiten, der Ziele und Fristen ihrer Umsetzung in diesem Jahr enthalten soll. Dies war die Hauptforderung von Matteo Renzi, des Chefs der kleinsten bisherigen Koalitionspartei Italia Viva. Fico konnte die Verhandlungsführer von M5S, Vito Crimi, und Pd, Nicola Zingaretti, auch überzeugen, in neue Gespräche mit Renzi einzutreten. Bislang hatten beide Parteien aus Enttäuschung über Renzis Rückzug aus der Regierung weiteren Kontakt abgelehnt. Beide Politiker forderten jedoch deutlich Renzis Loyalität zu einem künftigen Kabinett ein.

Der frühere Regierungs- und Pd-Chef Renzi zeigt sich seinerseits bereit, mit den bisherigen Koalitionspartnern wieder zusammenarbeiten. Auf die Forderungen Crimis und Zingarettis eingehend erklärte der Iv-Politiker, er sei »stets loyal« gewesen und habe lediglich mehr Klarheit und Transparenz der Conte-Politik gefordert. Der Rückzug seiner Minister, so Renzi, sei nur erfolgt, weil er keine Antworten des Regierungschefs auf seine drängenden Fragen hinsichtlich der Verwendung der EU-Hilfsmittel erhalten habe.

Inhaltliche Fragen werden letztlich auch über den Erfolg der Fico-Mission entscheiden. Renzi erklärte, er sei bereit, über den Einsatz der EU-Rettungsgelder, einen Plan zur Fortsetzung der Impfkampagne, über den Haushalt und Fragen der Bildungspolitik zu diskutieren. Nur wenn man in strittigen Punkten Einigkeit erziele, könne er sich eine Rückkehr in die Koalition vorstellen. Es sei verfrüht, über Personalien oder gar über Conte als künftigen Regierungschef zu verhandeln, mahnte der Iv-Chef.

Am Sonntag traf Parlamentspräsident Fico die Vertreter der kleineren parlamentarischen Gruppen. Nach dem Treffen erklärte Ricardo Merlo, Vertreter der Auslandsitaliener, sowohl seine Gruppe als auch die der sprachlichen Minderheiten und der Europafreunde seien bereit, eine neue Conte-Regierung zu stützen. Positive Signale kamen auch vom Centro Democratico.

Eine mögliche »Regierung der nationalen Einheit« sieht Staatspräsident Mattarella skeptisch. Die rechte Opposition kritisiert den Präsidenten scharf. Mattarella begünstige Mitte-links, habe damit seine neutrale Position verlassen, hieß es vor allem aus den Reihen der neofaschistischen Fratelli d’Italia, die dringend Neuwahlen fordern.

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