Streitpunkt M-Wort

CDU-Antrag im Stadtrat Halle zu einer Petition gegen das M-Wort in Apotheken wird zunächst abgelehnt, doch nach vorzeitigem Abbruch der Sitzung nun erneut verhandelt

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Stadtrat von Halle ereignete sich vergangene Woche ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Die Mandatsträger waren am Donnerstag aufgrund der Corona-Pandemie und der immer noch hohen Infektionszahlen zu einer rein virtuellen Versammlung zusammengekommen – doch diese Online-Sitzung verlief alles andere als reibungslos. Vielmehr: Sie konnte nicht einmal zu Ende gebracht werden. Der Abgeordnete Gernot Nette (Freie Wähler) stellte mehrfach die Rechtmäßigkeit der Sitzung oder verschiedener Abstimmungen infrage. Der frühere AfD-Mann klagte zudem über Tonprobleme.

Nach einer 20-minütigen Pause entschied die Stadtratsvorsitzende Katja Müller (Die Linke), die Sitzung vorzeitig abzubrechen. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) fügte zur Begründung hinzu, die Behauptungen Nettes seien schwer widerlegbar. Der Vorwurf steht nun im Raum, Nette habe die Versammlung bewusst stören wollen. Stadtratschefin Müller kommentierte später im Kurznachrichtendienst Twitter: »Danke allen Rät*innen, die sich geöffnet haben. Danke Herr Nette für nichts. Das war unfassbar zerstörerisch, durchschaubar und für Sie leider durchführbar. Schämen Sie sich einfach.« Nun muss die gesamte Sitzung am 17. Februar wiederholt werden, alle am Donnerstag gefassten Beschlüsse wurden ungültig – das bestätigte Stadtsprecher Drago Bock dem »nd« auf Nachfrage.

Somit wird auch der Beschluss über einen im Vorfeld der Sitzung viel diskutierten Tagesordnungspunkt am 17. Februar erneut verhandelt: Die CDU-Fraktion beantragte eine Stellungnahme des Stadtrates zu einer Petition des Bündnisses »M-Wort abschaffen!«, die bisher rund 1000 Menschen unterzeichnet haben. Darin fordert das Bündnis, alle Apotheken in Sachsen-Anhalt, in deren Namen das Wort »Mohr« enthalten ist, umzubenennen. Darüber hinaus solle das M-Wort komplett aus dem öffentlichen Raum verschwinden. »Das M-Wort ist ein rassistischer, kolonialhistorisch geprägter Begriff, der von Großteilen der Schwarzen Community in Deutschland abgelehnt wird«, schreibt das Bündnis in seiner Online-Petition. Ein entsprechender Offener Brief wurde von zahlreichen politischen Gruppen und Organisationen sowie den Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Die Linke) und Sebastian Striegel (Grüne) unterzeichnet.

Laut Begründung des CDU-Antrags stehe das M-Wort »in der Tradition unserer Stadt für eine anerkennenswerte Person«. Die Konservativen berufen sich auf den heiligen Mauritius, der »in mittelalterlichen Darstellungen stets in Gestalt eines würdigen Schutzpatrons begegnet«, und werfen den Aktivisten des Bündnisses »bilderstürmerische Versuche« vor. Dies sei einzig ein »Vorwand, um rassistische Sprache zu legitimieren, und ändert nichts an der abwertenden und diskriminierenden Konnotation«, entgegnet das Bündnis. Wer dem heiligen Mauritius gedenken wolle, solle ebendiesen Namen – und nicht das M-Wort – verwenden.

Zu einer inhaltlichen Behandlung des Antrags kam es jedoch nicht, und es ist zu erwarten, dass dies auch bei der Wiederholung der Sitzung so geschehen wird. Denn der Stadtrat hat sich in diesem Fall für nicht zuständig erklärt. Zu Beginn der Sitzung stellte Stadtrat Eric Eigendorf (SPD) einen entsprechenden Geschäftsordnungsantrag, der mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktionen von Sozialdemokraten, Grünen, Linken und Mitbürger/Partei sowie vom Oberbürgermeister Wiegand angenommen wurde.

Zur Begründung heißt es beispielsweise von der Linksfraktion, dass reale Handlungsmöglichkeiten in der Kommunalpolitik fehlten. Obendrein ignoriere die CDU die »koloniale und rassistische Traditionslinie« des M-Wortes: »Das christliche Bild des heiligen Mauritius verbindet sich in dem Begriff mit dem rassistischen Bild des 'Eingeborenen'. Beides gehört zur städtischen Tradition, die deshalb eine kritische Diskussion verdient hat und keine kulturkämpferischen Resolutionen.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal