Ein guter Tabubruch

Der Beschluss des Parteivorstands der Linken zu Menschenrechten in Kuba ist richtig, kommentiert Matti Steinitz.

  • Matti Steinitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf seiner letzten Sitzung hat der Parteivorstand der Linken ein Tabu gebrochen. Unter Punkt 5 eines Beschlusses zu »Solidarität mit Kuba« heißt es: »Menschenrechte sind universell, sie gelten für jede und jeden - überall! Wir treten ein für eine Fortsetzung des Dialogs in Kuba mit kritischen Künstlerinnen und Künstlern sowie Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft.« Dieser Beschluss hat historischen Charakter: Im Kontext der seit vergangenen November laufenden Proteste des Movimiento San Isidro (MSI) für Meinungsfreiheit und die Freilassung des oppositionellen Rappers Denis Solís hat sich die Linkspartei damit erstmals mit Kritiker*innen der kubanischen Regierung solidarisiert.

Marco Pompe, der den Antrag im Namen der Emanzipatorischen Linken dem Parteivorstand vorgestellt hatte, zeigte sich überrascht über die mit 90 Prozent »sehr breite Unterstützung für unser Anliegen, aber auch wie verbissen einige wenige versuchten, eine Unterstützung von kubanischen Menschenrechtsaktivist*innen zu verhindern.«

Die Geschichte des engen Verhältnisses der Linken zum sozialistischen Kuba macht die Überraschung nachvollziehbar - der vehemente Widerstand gegen einen solchen Beschluss erscheint in diesem Lichte weniger verwunderlich. Den meisten Unterstützer*innen eines sozialistischen Kubas gilt der Einsatz für Menschenrechte auf der Insel als Teil der jüngst durch neue Sanktionen und eine Deklarierung des Landes als »Terrorstaat« wieder verschärften Versuche der USA, die Regierung zu destabilisieren.

Dass die alten Reflexe hier in die Irre führen, zeigt ein Blick auf die kleine Gruppe von Aktivist*innen des MSI und ihre Sympathisant*innen, die aktuell im Rahmen einer nationalistischen Diffamierungskampagne als »Söldner des US-Imperialismus« angeprangert, in die Nähe zu rechtsextremen »Terroristen« gerückt, ständig überwacht und immer wieder festgenommen werden. Gerade wegen der Universalität ihrer Anliegen und der Diversität ihrer Mitglieder erfahren die Aktivist*innen Unterstützung, sowohl von Kulturschaffenden als auch von den vielen Kubaner*innen, die besonders von den sozioökonomischen Folgen der kürzlich erfolgten Wiedereinführung des Dollars im Rahmen einer umfassenden Wirtschaftsreform betroffen sind.

Es handelt sich um ein heterogenes Bündnis aus Künstler*innen, Musiker*innen und Intellektuellen, die sich für Demokratisierung und gegen staatliche Zensur einsetzen. Die meisten von ihnen sind jung und leben in prekären Verhältnissen. Protagonisten des MSI wie Performance-Künstler Luis Manuel Otero und Rapper Maykel Castillos stehen auch repräsentativ für die besondere Betroffenheit der afrokubanischen Community von sozialer Ungleichheit und staatlicher Repression, die gerade in armen Vierteln Havannas wie San Isidro zu beobachten ist.

Der autoritäre Umgang des Staates mit den jungen Menschenrechtler*innen spricht für seine Verunsicherung. Am vergangenen Donnerstag beteiligte sich der Kulturminister Alpidio Alonso mit einigen Mitarbeitern persönlich an Übergriffen mit mehreren Verletzten gegen friedliche Demonstrierende vor dem Sitz seines Ministeriums. Während diese Art von Repression ein Grund sein mag, warum sich bis dato wenige Menschen an den öffentlichen Aktionen beteiligen, so sind auch viele progressive Stimmen wie die afrofeministische Bloggerin Sandra Álvarez, die seit 15 Jahren über die Realitäten in Kuba schreibt, überzeugt: »Den jungen Menschen muss zugehört werden, sie sind die Zukunft.«

Eine linke Solidarisierung mit den demokratischen Forderungen der Aktivist*innen erscheint als das Gebot der Stunde - nicht zuletzt, um den unhaltbaren Zustand zu beenden, dass internationale Unterstützung fast nur von rechten Parteien in den USA und Europa artikuliert wird, die in ihrem jahrzehntealten Kampf gegen den kubanischen Sozialismus Agenden verfolgen, die mit den emanzipatorischen Anliegen der Aktivist*innen wenig zu tun haben. Der von der Linken mit ihrem Beschluss eingeschlagene Weg könnte richtungsweisend für eine kritisch-solidarische Begleitung des notwendigen Dialoges zwischen der kubanischen Regierung und den Repräsentant*innen einer neuen Generation sein, die sich ebenso wie die Revolutionäre von 1959 für ein freies Kuba einsetzen.

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