Keinen Deut schneller

Als Ergebnis der Beratungen über die deutsche Impfkampagne bleibt vor allem Ernüchterung festzustellen

Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei klar geworden, dass es bis in den April hinein »noch harte Wochen der Knappheit« beim Impfstoff geben werde. CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärte, zu Beginn der Impfungen sei der Eindruck da gewesen, jetzt gehe es los. »Jetzt ist, glaube ich, die Dämpfung und die Enttäuschung da«, so Söder am Montagabend. Der Impfgipfel habe »zwei Ergebnisse gebracht: Klarheit, aber auch Ernüchterung«. Auch für Söders Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gebe es nach den Gesprächen »nicht so viel mehr Planungssicherheit, als wir vorher schon hatten.« Ein Umstand, den auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) kritisiert: »Zur Zeit haben wir nur Planungsdaten bis zum 20. Februar - und das reicht nicht, um den Menschen längerfristige Angebote zu machen.«

Derlei Stimmen der Enttäuschung, Ernüchterung und Kritik ließen sich fast beliebig lang aneinanderreihen. Im Vorfeld vehement eingefordert, mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Ministern aus ihrem Kabinett, den Länderchefs, Vertretern der EU-Kommission und von Pharmaunternehmen prominent besetzt, konnte der »Impfgipfel« am Montag dennoch nichts dazu beitragen, den Eindruck einer völlig verpatzten Impfkampagne zumindest etwas abzumildern. Zu dünn sind einfach die »Ergebnisse«.

So beschlossen Bund und Länder die Aufstellung eines »nationalen Impfplans«, in dem »nach bestem Wissen« die bevorstehenden Lieferungen an Impfstoffen aufgeführt werden sollen, wie Merkel erklärte. Ziel sei es, »mehr Sicherheit zu geben, wie das Einladungsmanagement für die Menschen erfolgen kann«. Ein Entwurf für einen solchen Impfplan, der laut Beschluss einen »konkreten Fahrplan festlegen« solle, wie das Ziel erreicht werden könne, bis zum 21. September jedem Bürger ein Impfangebot machen zu können, soll vonseiten der Bundesregierung bereits für die nächsten Bund-Länder-Beratungen zum weiteren Vorgehen in der Coronakrise vorgelegt werden. Für das größte Problem hingegen, den fehlenden Impfstoff, fand das Treffen keine Lösung.

»Der gestrige Impfstoffgipfel hat gezeigt, dass der Impfstoffmangel im ersten Vierteljahr nicht mehr zu beheben ist. Durch diesen Fehler wird Deutschland Monate länger mit der Pandemie zu kämpfen und die gravierenden Folgen zu tragen haben«, bilanzierten am Dienstag die Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch. »Statt von den Fehlern abzulenken und den Pharmakonzernen eine Werbebühne zu bieten, hätte außerdem auf dem Impfgipfel die Frage geklärt werden müssen, wie schnell welche Produktionskapazitäten aufgebaut werden können«, so Ali und Bartsch, die gleichzeitig fragen: »Warum produziert beispielsweise Bayer nicht schnellstmöglich einen bereits zugelassenen Impfstoff?« Beide fordern zudem, dass »nachvollziehbar« geprüft wird, ob es möglich sei, über einen Lizenzentzug schneller Produktionskapazitäten aufzubauen. Auch der Beschluss zum nationalen Impfplan sorgt bei Ali und Bartsch für Verärgerung. Es untergrabe »weiter das Vertrauen in die Krisenmanagementfähigkeiten der Bundesregierung«, dass dieser nun erst über einen Monat nach Beginn der Impfkampagne aufgestellt werde. »Warum ist das nicht längst geschehen?«

Die gleiche Frage stellt sich auch in Bezug auf ein mögliches abgestimmtes Lockdown-Ausstiegsszenario. Auch darauf warteten Bevölkerung wie Wirtschaft bisher vergebens. Gespannt darf man deshalb nicht nur auf den Impflan-Entwurf sein, wenn sich am 10. Februar Bund und Länder erneut beraten, sondern auch darauf, ob es bis dahin belastbare Vorstellungen zu einem Ausstiegsplan gibt, wie es beim letzten Treffen der Runde am 19. Januar vereinbart worden war.

In jedem Fall steht den Beteiligten in der kommenden Woche ein schwieriges Treffen bevor. Neben Impfplan und Ausstiegsszenario stellen sich dann nämlich zunächst ganz konkret die Fragen: Lockdown verlängern, ja oder nein? Lockerungen ja oder nein? Der derzeitige Lockdown, mit dem der Sieben-Tage-Inzidenzwert für Deutschland - also die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner - auf einen Wert von 50 oder darunter gedrückt werden soll, ist bislang bis zum 14. Februar befristet. Am Dienstag war dieses Ziel noch längst nicht erreicht. Der Wert lag laut Robert-Koch-Institut bei 90. Und auch wenn das Infektionsgeschehen in Deutschland derzeit etwas abflaut und die Rufe nach Lockerungen immer lauter werden, dürfte die Sorge vor den ansteckenderen Virusvarianten die Verantwortlichen zur besonderen Vorsicht mahnen.

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