Hochschuldebatte gesprengt

Waldbesetzung sorgt für Turbulenzen auf Kongress in Flensburg

  • Dieter Hanisch, Flensburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Unmittelbar vor Beginn des noch bis Freitag andauernden digitalen Kongresses »Zukunft(s)gestalten« über Themen der gesellschaftlichen Transformation hat es wegen eines Programmpunktes ungeahnte Turbulenzen gegeben. Die seit Anfang Oktober andauernde Besetzung des kleinen Bahnhofswaldes, der einem Hotelneubau weichen soll, hat nun sogar auf die Hochschulveranstaltung ausgestrahlt.

Dass die bundesweit bekannte Umweltaktivistin, Atomkraft-Gegnerin und Antimilitaristin Hanna Poddig, die die Baumbesetzungen aktiv unterstützt, sich in eine Diskussion mit der schleswig-holsteinischen Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré (Grüne) begeben sollte, passte zwei Hochschulgruppen nicht. Sie machten Stimmung gegen Poddig und wollten der für zivilen Ungehorsam einstehenden Autorin keine öffentliche Bühne bieten.

Der Vorwurf: Poddig würde sich nicht von verbaler Gewalt und von bereits geschehenen Sachbeschädigungen gegenüber Firmenfahrzeugen eines der zwei Hotelinvestoren durch mutmaßlich militante Umweltschützer distanzieren.

Diese Intervention beim Uni-Präsidenten Werner Reinhart durch den konservativen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), die Liberale Hochschulgruppe und die Jungen Liberalen, die unisono Poddig als Extremistin bezeichnen, sorgte auch dafür, dass die Stadtwerke Flensburg und das Bündnis Flensburger Klimapakt sich als Konferenz-Sponsoren zurückzogen. Reinhart hat einen Tag vor der geplanten Diskussion tatsächlich reagiert und diese als hochschulinternes Forschungskolloquium deklariert, zu dem nur Uni-Angehörige Zugang haben, andere Interessierte dagegen nicht.

Mit dieser geschlossenen Veranstaltungsform inmitten einer eigentlich die Öffentlichkeit suchenden Konferenz hat sich die Uni-Spitze aber keinen Gefallen getan, denn Grünen-Politikerin Touré cancelte unter diesen Voraussetzungen kurzfristig ihre Teilnahme. Die Konferenz-Organisatoren des Transformationsstudiengangs wiederum haben den Programmpunkt daraufhin gänzlich gestrichen und angekündigt, die Diskussion zeitnah in einem anderen Rahmen öffentlich nachzuholen, wozu Touré bereits ihre Bereitschaft erklärt hat.

Damit hat die Konferenz binnen kürzester Zeit noch einmal viel Aufmerksamkeit bekommen, die ihr sonst wohl gar nicht widerfahren wäre. Zugleich ist an der Uni ein Streit ausgebrochen, wie viel öffentlichen Diskurs ein Wissenschaftsort wie eine Universität bereit sein sollte auszuhalten.

Besonders Uni-Chef Reinhart muss sich hierzu Kritik anhören. Auf der Homepage des Online-Kongresses heißt es in einem Statement in Richtung Reinhart: »Wir sind von dieser Entscheidung schwer enttäuscht. Ziel unseres Podiums war und ist es, einen Aushandlungsraum für die Frage der Gestaltung einer sozial und ökologisch gerechten Zukunft zu schaffen.«

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Innerhalb der Klimabewegung sei es deshalb vielmehr notwendig, ein breites Spektrum anzuhören. Die linke Hochschulgruppe Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (SDS) hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet und auf die Seite von Poddig geschlagen. Der SDS warnt ausdrücklich davor, Meinungspluralismus einzuschränken. Zum Konferenz-Programm, das auch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt wird, gehören Vorträge, Diskussionen, Filme und Workshops.

www.zukunftsgestalten-flensburg.de

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