»Der Duden hat keine Sprachmacht oder Sprachgewalt«

Duden-Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum weist Kritik am Gendern des Online-Wörterbuchs zurück

  • Michaela Hütig, epd
  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die Duden-Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum weist Kritik am Gendern des Online-Wörterbuchs zurück. Anders als von sprachkonservativen Gegnern der Reform beklagt, wolle und könne der Duden das sogenannte generische Maskulinum nicht abschaffen, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). »Der Duden hat keine Sprachmacht oder Sprachgewalt, um die Nutzung bestimmter Begriffe zu verhindern«, betonte Kunkel-Razum. Vielmehr orientiere sich die Redaktion an der sprachlichen Realität, die sich gewandelt habe hin zum Bemühen um eine geschlechtergerechtere Sprache.

Im Januar war bekannt geworden, dass die Duden-Redaktion ihre Online-Ausgabe überarbeitet. Demnach bekommen insgesamt 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen wie »Lehrerin«, »Pfarrerin« und »Anwältin« erstmals einen eigenen Eintrag und nicht mehr nur einen Verweis auf die männliche Form. »Lehrer«, »Pfarrer« und »Anwalt« werden künftig als »männliche Person« aufgeführt.

Ihre Redaktion hätten seit einigen Jahren viele Zuschriften erreicht, in denen eine Gleichstellung der weiblichen Formen gefordert worden sei, sagte Kunkel-Razum. Zugleich habe sich die Amtssprache klar gewandelt: »Es hat ja wohl eine Aussagekraft, wenn ganze Länder und Städte Verwaltungsvorschriften erlassen für eine geschlechtergerechte Sprache.« Wichtigste Grundlage für die Entscheidung zum Gendern des Online-Dudens sei aber die digitale Textsammlung der Redaktion gewesen, das sogenannte Dudenkorpus. »Hier haben wir eine deutliche Entwicklung festgestellt, geschlechterübergreifende Formen zu ersetzen, etwa durch Doppelnennungen wie 'Bürgerinnen und Bürger'«, erklärte die Germanistin.

Gendern - muss das sein? Sprache ist zwar Kulturgut, aber dennoch einem ständigen Wandel unterworfen.

Daher verwahre sie sich auch gegen den Vorwurf, der Duden wolle die Sprache manipulieren und eine neue Norm schaffen. Fixe Normen gebe es allenfalls für die Rechtschreibung und für diese sei der Rat für deutsche Rechtschreibung zuständig, sagte Kunkel-Razum. »Beim Duden bilden wir die Regeln ab, die die Sprachgemeinschaft macht«, betonte die 61-Jährige: »Wir beobachten, welche Formen sich herausbilden, und das beschreiben wir.« Eine Wortbedeutung sei nie eine Norm.

Das generische Maskulinum - also die geschlechterübergreifende Verwendung der männlichen Form - sei mitnichten gestrichen, sondern lebe in den Beispielen zu den Worteinträgen weiter. »Wenn ich etwa sage 'Ich gehe zum Arzt', dann kann das im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus geschlechtsabstrahierende Bedeutung haben, weil die Praxis als Einrichtung gemeint ist«, erklärte sie. »Aber wenn von einer konkreten Ärztin oder einem konkreten Arzt die Rede ist, macht es natürlich einen Unterschied, wen wir vor uns sehen.« epd/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket
Dazu passende Podcast-Folgen:

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal