Amnesty: Belarus nimmt im Kampf gegen Proteste auch Kinder ins Visier

Menschenrechtsorganisation berichtet von Schikanen, Drohungen und strafrechtlicher Verfolgung

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. In dem zunehmend verzweifelten Versuch, regierungskritische Meinungen zu unterdrücken, machen die belarussischen Behörden nach Angaben von Amnesty International auch vor der Bedrohung und strafrechtlichen Verfolgung von Kindern nicht Halt. Einigen drohten jahrelange Haftstrafen, andere lebten in der Angst, dass ihre Eltern inhaftiert oder dass sie selbst aus ihrer Familie gerissen würden, berichtete die Menschenrechtsorganisation am Montag.

Am Dienstag ist es sechs Monate her, dass die Massenproteste gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahl in Belarus begannen. Die Opposition wirft dem autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko massiven Wahlbetrug vor und erkennt seinen Sieg gegen die inzwischen im Exil lebende Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja nicht an. Doch trotz des gewaltsamen Vorgehens der Behörden gegen friedliche Demonstranten reißen die Proteste nicht ab.

Den Recherchen von Amnesty International zufolge vergreifen sich die Behörden inzwischen zunehmend auch an Kindern und Jugendlichen. Einige seien »ähnlich wie Erwachsene« willkürlich inhaftiert und unter fadenscheinigen Begründungen angeklagt worden, berichtete Belarus-Expertin Aisha Jung.

Schon achtjährigen Kindern würden in der Schule mit Repressalien gegen ihre politisch aktiven Eltern gedroht, erklärte sie. Zu den »heimtückischsten Schikanen« gehöre aber die Drohung, die Kinder unter Berufung auf die Gesetze in staatliche Obhut zu geben - und sie damit »de facto zu Geiseln der Regierung« zu machen.

In ihrem Bericht schildert die Organisation das Schicksal eines 14-jährigen Jungen, der seiner Mutter zufolge gemeinsam mit hunderten friedlichen Demonstranten und Zuschauern festgenommen worden und von den Bereitschaftspolizisten malträtiert worden war. Als die Polizisten in seiner Tasche ein kleines Flugblatt mit der rot-weißen Flagge der Opposition fanden, setzte die Kinderschutzbehörde laut Amnesty seine Familie mit der Behauptung auf eine Beobachtungsliste, der Junge sei »sozial gefährdet«. Nun lebten er und seine Familie in ständiger Angst vor einer Trennung.

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Der Fall zeige einmal mehr, dass die belarussischen Behörden »bis zum Äußersten gehen, um ihre Kritiker einzuschüchtern«, erklärte Amnesty. Die Organisation forderte ein sofortiges Ende dieser »unmenschlichen Behandlung von Kindern« und der »hässlichen Einschüchterungskampagne« gegenüber politisch Andersdenkenden.

Die neue Amnesty-Recherche knüpft an einen am 27. Januar im Rahmen der Kampagne #StandWithBelarus (Zusammenstehen mit Belarus) veröffentlichen Bericht an, der aufweist, wie das Justizsystem in Belarus dafür missbraucht wird, Folteropfer zu bestrafen statt Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die Menschenrechtsorganisation forderte die internationale Gemeinschaft erneut auf, der Straflosigkeit entgegenzutreten. AFP/nd

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