Militärjunta in Myanmar verhängt Kriegsrecht in Teilen des Landes

Erneute Proteste gegen Putschregierung / Polizei setzt in Hauptstadt Naypyidaw Wasserwerfer gegen Demonstranten ein

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Rangun. Trotz eines Versammlungsverbots gehen die Massenproteste in Myanmar den vierten Tag in Folge weiter. Am Dienstagmorgen (Ortszeit) demonstrierten in der früheren Hauptstadt Rangun erneut Tausende Menschen, wie das Nachrichtenmagazin »Frontier Myanmar« berichtete. Auch in anderen Teilen des südostasiatischen Landes gingen Protestierende wieder auf die Straßen. Am Vorabend hatte das Militärregime ein Versammlungsverbot für mehr als fünf Personen sowie eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 20 Uhr und 4 Uhr unter anderem für die beiden größten Städte Rangun und Mandalay erlassen.

Zugleich erklärten die Machthaber am Montag, »anders« zu sein als die frühere Junta-Regierung, die das Land knapp 50 Jahre lang regiert hatte. In seiner ersten Fernsehansprache seit dem Putsch rechtfertigte Armeechef Min Aung Hlaing die Machtübernahme mit »Wahlbetrug«. Trotz Warnungen der Armeeführung protestierten am Montag zehntausende Menschen gegen den Putsch.

Erstmals seit dem Putsch setzte die Polizei in der Hauptstadt Naypyidaw Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Mindestens zwei Menschen wurden dabei verletzt. Die Demonstranten forderten die Rückkehr zur Demokratie sowie die Freilassung der festgenommenen De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und weiterer Gefangener.

Angesichts des zunehmenden Widerstands begründete Hlaing den Putsch damit, dass es bei den Parlamentswahlen im November Betrug gegeben habe. Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) hatte bei den Wahlen einen Erdrutschsieg errungen. Die Armee wolle die Macht nach Ende des Ausnahmezustands und nach »freien und fairen Wahlen« zurückgeben, versicherte Hlaing.

Der General sagte auch, das südostasiatische Land heiße weiterhin ausländische Investitionen willkommen. Er kündigte ferner eine Aufhebung der Corona-Maßnahmen an. Zuvor hatte das Militär im staatlichen Sender MRTV eine Erklärung verlesen lassen, wonach jegliche Opposition gegen die Generäle gegen das Gesetz verstoße. Es habe Gesetzesverstöße und Gewaltandrohungen von Gruppen unter dem »Vorwand der Demokratie und der Menschenrechte« gegeben, hieß es in darin.

Nachdem sich die Proteste am Wochenende massiv ausgeweitet hatten, begann am Montag ein landesweiter Generalstreik. In der Wirtschaftsmetropole und früheren Hauptstadt Rangun legten Textilarbeiter, Beamte und Bahnangestellte ihre Arbeit nieder. Sie strömten auf die Straßen und legten den Verkehr lahm. Die Teilnehmerzahl lag laut manchen Schätzungen bei mehreren hunderttausend Menschen.

Große Kundgebungen gab es auch in anderen Teilen des Landes - von Muse an der chinesischen Grenze bis zu den südlichen Städten Dawei und Hpa-an. Für Dienstag werden weitere Demonstrationen erwartet.

Wegen der Proteste verhängten die Machthaber bis auf weiteres das Kriegsrecht in mehreren Vierteln der zwei größten Städte Rangun und Mandalay sowie in anderen Landesteilen. Den Menschen ist es demnach verboten, zu demonstrieren oder sich in Gruppen von mehr als fünf Personen zu treffen. Zudem wurde eine nächtliche Ausgangssperre von 20.00 Uhr bis 04.00 Uhr morgens verhängt.

Angesichts der Entwicklungen wird der UN-Menschenrechtsrat am Freitag eine Sondersitzung zur Lage in Myanmar abhalten. Dies geschah auf Antrag Großbritanniens und der EU, wie der Rat mitteilte.

Die US-Regierung betonte ihre Solidarität mit der Bevölkerung Myanmars. Die USA stünden an der Seite der Menschen in dem Land und unterstützten ihr Recht »friedlich zur Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung zu demonstrieren«, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Versuche der US-Regierung, mit Suu Kyi in Kontakt zu treten, wurden nach Angaben des Sprechers abgelehnt.

Vor einer Woche hatte das Militär die Macht in Myanmar an sich gerissen und die Zivilregierung abgesetzt. Die De-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi und Präsident Win Myint wurden festgesetzt. Der Putsch beendete eine zehnjährige Phase des demokratischen Wandels in dem südostasiatischen Land. Agenturen/nd

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