So tun, als sei doch alles gut

Chai und Snacks: Über Rassismusdebatten in Deutschland

  • Ayesha Khan
  • Lesedauer: 3 Min.

Eines vorweg: Ich mache das alles nur, weil ich dazu gezwungen werde. Und weil ich hoffe, dass ich dann nachts besser schlafen kann. Denn turbulente Wochen liegen hinter uns. Viel, viel zu viel, wurde bereits gesagt, geschrieben und auf allen möglichen Social-Media-Kanälen gepostet. Einiges hatte Substanz und Relevanz, anderes war eher, wie soll ich es nennen, Trash. Ich will jetzt aber auch gar nicht über Meinungsbeiträge in liberal-konservativen Tageszeitungen sprechen, die Antirassismus als vermeintliches Geschäftsmodell diffamieren oder etwa WDR-Talkshows analysieren, die es für angebracht halten, über die Verwendung von rassistisch-diskriminierenden Begriffen in der Sendung abzustimmen. Dafür habe ich weder die Zeit, noch die Ressourcen. Und der Platz hier reicht dafür auch nicht aus. Zum Glück. Denn ich glaube, so ist es besser für uns alle.

Überhaupt: Als wäre es nicht schon genug, dass Menschen sich täglich mit Diskriminierung und Unterdrückung, wegen eigener Betroffenheit, befassen müssen. Als müssten sie nicht auch schon ständig Nichtbetroffenen, der Dominanzgesellschaft, erklären und aufdröseln, wie genau eben diese Mechanismen, dieses System von Diskriminierung und Unterdrückung funktioniert und was das wieder mit Phänomenen wie Armut oder Gewalt zu tun hat. Dabei geht es ja nicht einmal um das Verstehen, nicht um Verständnis, sondern es geht um das Eingeständnis und den Willen, die eigene Positionierung in diesem System zu sehen.

Es gibt Studien zu Diskriminierung auf dem Wohnungs- und Jobmarkt, und trotzdem wird sie geleugnet und sich geweigert, von Rassismus als System zu sprechen. Selbst wenn man keine Lust hat, über »persönliche Betroffenheiten« zu sprechen, lässt sich nicht ignorieren, was Opferberatungsstellen seit Jahren kritisieren: Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit - sie sind alle strukturell und sogar institutionell. Und auch rechte Gewalt hat hier Tradition. Und nicht selten erfahren Menschen Gewalt, weil die Täter*innen im Status quo unserer Gesellschaft die Legitimation für ihre Taten bekommen. Und das können sie heute, im digitalen Zeitalter von Facebook, Twitter und deren Umgang mit faschistoiden Ideologien, Strukturen, Netzwerken und Fake News, so einfach wie nie zuvor.

Ich würde auch lieber coole Dinge machen. Malen zum Beispiel. Mit Ölfarben. Oder mal wieder einen kitschigen Roman lesen. Leute sagen: »Ja aber Ayesha, dann mach doch einfach. Was kümmert es dich, was Person XY schreibt oder was Person Z in dieser Talkshow gesagt hat? Ignorier´ es einfach.« Und bei Gott, ich versuche alles Mögliche, um mich abzulenken. Nicht auf den Link zu klicken. Nicht auf Play zu drücken. Und manchmal klappt es und dann bin ich sehr stolz auf mich.

An anderen Tagen klappt es nicht. Dann bin ich wütend. Wütend, wie man angesichts täglich aufgedeckter »Einzelfälle«, Waffenlager und rechter Netzwerke, angesichts des Mordes an Walter Lübcke, den Attentaten von Halle und Hanau noch so tun kann und so tun will, als sei doch alles gut.

Außerdem habe ich auch gar keine Lust mehr. Ich habe gar keine Lust mehr auf Diskussionsrunden, Panels und Talkshows, in denen ergebnisoffen über Rassismus diskutiert wird. Noch weniger habe ich Lust auf die Debatten »Gibt es Rassismus in Deutschland? Ja oder Nein?« oder »Darf man noch XYZ sagen? Wieso nicht?«. Deutschland, deine Rassismusdebatten stecken im Jahr 2002 fest. Komm raus da.

Ich will Panels mit nicen, aber kritischen Menschen. Es gibt Chai und Snacks. Alle lachen. Manchmal werden ernste Themen besprochen und ab und zu kritisiert man sich gegenseitig. Aber im Prinzip haben alle die gleiche Meinung, ergänzen sich jedoch und gehen am Ende empowert aus dem Talk. Vor allem will ich aber, dass die Kritik, die Kämpfe gegen Diskriminierung und Unterdrückung nicht delegitimiert werden würden.

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