Zahl antisemitischer Straftaten 2020 deutlich gestiegen

Zentralrats der Juden: Vorläufige Statistik zeigt, »dass die Radikalisierung der Gesellschaft voranschreitet«

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die Zahl antisemitischer Straftaten ist im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) hervorgeht, wurden bis Ende Januar 2.275 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet, darunter 55 Gewalttaten. Die Zahl ist vorläufig, da noch Nachmeldungen der Bundesländer möglich seien, heißt es darin weiter.

Es ist allerdings schon jetzt ein erneuter deutlicher Anstieg. 2019 wurden 2.032 antisemitisch motivierte Straftaten registriert, 2018 insgesamt 1.799. Die Straftaten werden überwiegend dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Islamistische, linke und anders motivierte Judenhasser sind in der Statistik nur eine kleine Minderheit.

1.367 Tatverdächtige wurden 2020 ermittelt, wie aus der Anfrage hervorgeht, über die zuerst der »Tagesspiegel« berichtete und die auch dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Es habe fünf Festnahmen, allerdings keine Haftbefehle gegeben. Die bislang gezählten Straftaten sind die höchste Marke, seit die Polizei 2001 das Erfassungssystem »Politisch Motivierte Kriminalität« (PMK) einführte.

»Angesichts der zahlreichen antisemitischen Vorfälle auf den Corona-Leugner-Demos im vergangenen Jahr und der Verschwörungsmythen im Netz war leider damit zu rechnen, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten erneut steigt«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, dem »Tagesspiegel«. Die vorläufige Statistik zeige, »dass die Radikalisierung der Gesellschaft voranschreitet und der Respekt vor Minderheiten sinkt«, warnte er.

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, sagte dem Blatt, der erneute Anstieg »muss uns eine Warnung sein«. Die Zunahme der Straftaten sei »ein deutliches Zeichen, dass die Demokratie sich besonders in Krisen wie der andauernden Pandemie wehrhaft zeigen muss«. Der gesellschaftliche Zusammenhalt »misst sich gerade hier in Deutschland daran, wie fest wir gegen Judenhass zusammenstehen«, sagte Klein.

Die Zunahme judenfeindlicher Angriffe verläuft parallel zu einer weiteren dramatischen Entwicklung. Anfang Februar berichtete die Bundesregierung von einem Anstieg der Kriminalität von Neonazis und anderen Rechten. Die Polizei hat 2020 nach bisherigen Erkenntnissen mehr als 23.000 einschlägige Straftaten festgestellt. Das ist der zweithöchste Stand seit 2001. Die Zahl ist Angaben der Regierung zu weiteren Anfragen von Petra Pau zu entnehmen. Vermutlich wird bei den rechten Straftaten mit den noch zu erwartenden Nachmeldungen der Polizei ebenfalls der höchste Stand seit 2001 erreicht. Agenturen/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal