Schneider: Auf uns rollt eine Lawine der Altersarmut zu

Anfrage der Linksfraktion: Trotz 45 Jahren Vollbeschäftigung droht Millionen Menschen Grundsicherung

  • Lesedauer: 3 Min.

Mainz. Selbst nach 45 Jahren Vollbeschäftigung droht fast drei Millionen Menschen eine Rente auf Grundsicherungsniveau. Im Jahr 2019 habe es insgesamt rund 2,9 Millionen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte mit einem Entgelt unterhalb des Schwellenwertes von monatlich 2.050 Euro gegeben, erklärte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Linksfraktion. Das Ministerium berief sich auf Daten der Bundesagentur für Arbeit. Über die Zahl hatte am Sonntag zuerst das ZDF-Hauptstadtstudio berichtet.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die Zahl laut ZDF als skandalös. »Es kann nicht sein, dass diejenigen, die ein Leben lang arbeiten, am Ende in Grundsicherung landen«, betonte Bartsch, der die Anfrage gestellt hatte. »Und wenn es gerade diejenigen sind, die vielfach in den letzten Monaten beklatscht worden sind, dann ist der Skandal besonders sichtbar.« Am stärksten betroffen sind den Angaben zufolge Beschäftigte in den Branchen Verkehr und Logistik, Einzelhandel, Gastronomie und Baugewerbe.

Am stärksten betroffen seien Beschäftigte in den Branchen Verkehr und Logistik, Einzelhandel, Gastronomie und Baugewerbe, hieß es in der Antwort des Bundesarbeitsministeriums unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit.

Der Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns von 9,35 Euro auf 9,50 Euro je Stunde sei »viel zu wenig«, sagte der Linken-Politiker. Er kritisierte, »dass wir auf der einen Seite in Deutschland eine Wahnsinnsentwicklung bei den Vermögen haben und auf der anderen Seite Menschen, die hart arbeiten, die systemrelevant sind - und abgespeist werden mit einem Hungerlohn.«

Für viele reicht der Lohn nicht zum Leben
Über drei Millionen Menschen sind trotz Job von Armut bedroht

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband nannte die Zahl »wirklich erschreckend«. Selbst nach 45 Jahren Vollbeschäftigung fürchten zu müssen, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, sei ein Armutszeugnis, zumal sehr viele Beschäftigte weder 45 Versicherungsjahre zusammenbekämen noch in Vollzeit arbeiten könnten, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem ZDF. In Summe führe dies dazu, »dass auf uns eine Lawine der Altersarmut zurollt«. Um gegenzusteuern seien drei Dinge notwendig: »Wir müssen das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent hochsetzen, wir brauchen eine Mindestrente unabhängig davon, wie lange jemand eingezahlt hat - und eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro.«

Das Arbeitsministerium verwies darauf, dass sich »Aussagen zum Einkommen der Beschäftigten über die gesamte Erwerbskarriere hinweg« auf Basis der vorliegenden Zahlen jedoch nicht treffen ließen. Es könnte also sein, dass ein Teil der genannten 2,9 Millionen Beschäftigten künftig mehr verdienen würde. Dank der zum 1. Januar in Kraft getretenen Reglungen des Grundrentengesetzes sei »allerdings grundsätzlich gewährleistet, dass nach den der Fragestellung zugrundeliegenden 45 Jahren Vollbeschäftigung ein Alterseinkommen oberhalb des durchschnittlichen Grundsicherungsbedarfs zur Verfügung steht«, betonte das Ministerium. Agenturen/nd

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