Vom Volkspark zur Redaktion

104. Leserwanderung am 18. April - im Vorfeld des 75. nd-Geburtstages

Durch den Volkspark Friedrichshain führt die diesjährige nd-Wandung, vorbei am Hiroshima-Denkmal.
Durch den Volkspark Friedrichshain führt die diesjährige nd-Wandung, vorbei am Hiroshima-Denkmal.

Infos

Angesichts der anhaltenden Covid-19-Pandemie können wir leider zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Einschätzung geben, ob und in welcher konkreten Ausgestaltung die nd-Wanderung im Jubiläumsjahr stattfinden kann. Wir informieren Sie in der Märzausgabe der »nd-Commune« über den aktuellen Stand. Diese erscheint am 27. März, wie gewohnt in der Wochenendausgabe. Außerdem finden Sie die genauen Vorgaben und das Hygienekonzept vor der Wanderung auf unserer Webseite im Menü unter »Termine«.

Informationen auch unter: dasND.de/Wanderung1804202

Ob es unter den Bedingungen der Corona-Pandemie so ablaufen kann, wie wir uns das vorstellen, ob eine nd-Wanderung am 18. April überhaupt durchführbar sein wird? Aktuell wissen wir das nicht. Wir bereiten uns aber auf alle Fälle darauf vor.

Starten soll diese Wanderung am 18. April von 9 bis 11 Uhr am Berliner Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee 77. Der S-Bahnhof Landsberger Allee liegt 750 Meter entfernt. Ziel soll das nd-Verlagshaus am Franz-Mehring-Platz 1 sein. Ob es dort eine zünftige Feier gibt - auch das hängt von den dann geltenden Corona-Bestimmungen ab.

Gewöhnt sind die nd-Leserinnen und -Leser von uns Wanderungen in grünen Berliner Außenbezirken oder im brandenburgischen Umland der Hauptstadt. Eine Stadtwanderung, ähnlich wie die jetzt geplante, hat es aber schon einmal gegeben: 1987. Damals ging es anlässlich des 750. Jubiläums von Berlin durch das Nikolaiviertel.

Zur nun zweiten Stadtwanderung veranlasst uns der 75. Jahrestag des Erscheinens der ersten Ausgabe der Tageszeitung »Neues Deutschland«. Die erste Nummer erschien am 23. April 1946. Auf der Titelseite die Schlagzeile: »Das größte Ereignis für unser Volk nach der faschistischen Tragödie: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ist geschaffen«. Auf einem Parteitag hatten sich KPD und SPD zur SED vereinigt und das »Neue Deutschland« kam als deren Zeitung, als das Zentralorgan der neuen Partei heraus. Die in russischer Sprache ausgestellte Lizenz von der sowjetischen Besatzungsmacht wird bis heute im Haus aufbewahrt.

Seite 3 der Erstausgabe zeigte das berühmte Bild, auf dem sich der Kommunist Wilhelm Pieck und der Sozialdemokrat Otto Grotewohl die Hände reichen. Der Handschlag wurde das Symbol der SED. Doch die erste Ausgabe der Zeitung lieferte nicht nur Politik, sondern auf der letzten Seite auch Kultur und Unterhaltung. Geschildert wurde hier ein Besuch bei dem berühmten Schauspieler Hans Albers, der für Proben zu einem Theaterstück in Berlin weilte. »Allen Berlinern und besonders den Lesern des ›Neuen Deutschland‹ herzliche Grüße«, ließ Albers ausrichten. »Ein neues freies Deutschland steht als Aufgabe vor uns allen, der wir uns, jeder an seinem Platz, mit aller Kraft widmen.«

Seinen festen Platz musste das Blatt erst finden. Jahrzehntelang waren Redaktion, Verlag und Druckerei über die Stadt verteilt an verschiedenen Standorten untergebracht. Erst 1972 fanden sie in einem Neubau am Franz-Mehring-Platz zusammen. In der DDR beschäftigte die Zeitung lange Jahre 1800 Mitarbeiter. Rund 70 Prozent der Belegschaft gehörten zur Druckerei, doch auch Redaktion und Verlag kamen zur Wende auf 550 Mitarbeiter. Heute sind es noch etwa 100. Nur noch sehr wenige sind schon vor 1989 dabei gewesen.

Gemacht wurde die Tageszeitung jahrzehntelang von Redakteuren, die teils im Widerstand gegen Hitler kämpften, teils vor den Nazis aus Deutschland fliehen mussten oder die in Gefängnissen und Konzentrationslagern gelitten hatten. Einer von ihnen war Werner Goldstein. Als Jugendlicher wollte dieser Journalist nach Palästina auswandern und so den Faschisten entkommen. Es gelang ihm nicht. Er wurde ins KZ Sachsenhausen gesteckt. 2006 lernte ich ihn persönlich kennen - ein bescheidener, freundlicher Mensch.

Im Jahr 2021 soll am 18. April die sechs Kilometer lange nd-Wanderung den Volkspark Friedrichshain durchqueren. Wer mitläuft, wird am Thema Krieg und Frieden nicht vorbeikommen. Denn unterwegs gibt es einige Denkmale und Erinnerungsorte. Die längere Strecke führt zusätzlich noch durch den Volkspark Prenzlauer Berg.

Obwohl es eine Stadtwanderung ist, geht es also durchs Grüne und im Volkspark Friedrichshain vorbei an der Friedensglocke, am Großen Bunkerberg, am Märchenbrunnen, am Denkmal für die Spanienkämpfer und am Friedhof der Märzgefallenen. Im Volkspark befindet sich auch ein Denkmal für die polnischen Soldaten, die zusammen mit sowjetischen Truppen Berlin vom Faschismus befreiten. An diesem Denkmal führt die Strecke aber nicht vorbei. Auf dem letzten Kilometer geht es durch die Richard-Sorge-Straße. Sie erhielt ihren Namen 1969 zum 25. Todestag des Kommunisten. Sie erinnert daran, dass der Kundschafter im Dienste der Sowjetunion 1944 in Japan hingerichtet wurde.

Im Volkspark Friedrichshain hat das »nd« von 1961 bis 1989 jedes Jahr große Pressefeste gefeiert. Vorher gab es diese Pressefeste in der Stalinallee, der heutigen Karl-Marx-Allee. Bei der Premiere am 1. Juni 1958 umfasste das Programmheft 32 Seiten. Zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor waren mehr als 200 Veranstaltungen angesetzt. Zwei Dutzend Orchester und Kapellen spielten auf, und der Filmschauspieler Günther Simon wurde von Dreharbeiten in Görlitz extra »eingeflogen«, um Autogramme zu geben. Bei einer Tombola gab es einen Pkw Wartburg 311, Reisen, Mopeds, Motorräder und Fernsehgeräte zu gewinnen.

Mit derart wertvollen Preisen kann die nd-Wanderung nicht mehr locken. Als Hauptgewinn beim traditionellen Quiz unterwegs winkt aber bekanntlich ein Fahrrad. Bedingung: Der Gewinner muss die auf der Strecke ausgehängten Quizfragen richtig beantworten.

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