nd-aktuell.de / 04.03.2021 / Berlin / Seite 10

Wirtschaft hat die Krise

Die Pandemie trifft fast die gesamte Berliner Ökonomie massiv

Martin Kröger

Die Folgen des zweiten Lockdowns auf die Berliner Wirtschaft sind gravierend. »Das wird erhebliche Auswirkungen auf die DNA Berlins haben«, prognostiziert der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg Nils Busch-Petersen. Es drohe nichts weniger als eine »Verödung der Innenstädte«, weil viele Betriebe, die die Einkaufsstraßen prägen, von Schließung bedroht sind. »Die Hälfte der von Zwangsschließung betroffenen Läden wird ohne Hilfen nicht das erste Halbjahr 2021 überleben«, sagt der Handelsvertreter am Mittwoch in einer Anhörung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses.

Verschiedene Vertreter von Verbänden und Instituten waren im Abgeordnetenhaus zu Gast, um über die Folgen der Coronakrise zu berichten, aber auch einen Ausblick auf die kurz- und mittelfristig nötigen Maßnahmen zu liefern. Fakt ist, die aktuelle Pandemie und der Lockdown treffen die Wirtschaft hart. »Die Coronakrise stellt eine existenzielle Bedrohung für die gesamte Berliner Wirtschaft dar«, sagt Henrik Vagt, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik der Industrie- und Handelskammer Berlin. Die Investitionsbank Berlin, die unter anderem Soforthilfen für Betriebe und sogenannte Solo-Selbstständige abgewickelt hat, geht in ihren Konjunkturprognosen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr in Berlin in einer Größenordnung von 5,9 Prozent wie im Bund gesunken sein dürfte.

In einzelnen Bereichen schlägt die Krise in Berlin auch härter durch als andernorts. »Berlin ist tiefer in das Loch gefallen als andere Stadtregionen«, erklärt Martin Gornig vom Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung den Abgeordneten und Senatsvertretern im Abgeordnetenhaus. Während die Arbeitslosigkeit im Bund durch die Coronakrise um 20 Prozent zunahm, waren es in Berlin sogar 33 Prozent. Auch die Zahl der offenen Stellen sank in der Coronakrise in Berlin überproportional. Gornig betont: »Berlin hat eine besondere Betroffenheit in der Krise.«

Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass in Berlin der Dienstleitungssektor besonders ausgeprägt ist. Einzelne Branchen wie das Messegeschäft, der Tourismus, die Veranstaltungsbranche und die Kultur hat es wie den Einzelhandel besonders massiv erwischt. Ohne Touristen und Messebesucher braucht es auch kein Catering, keine Hotelunterbringung, keine Taxifahrten und keine Gastronomie. Fast 25 Prozent aller Berliner Umsätze, hat der Handelsverband errechnet, wurden früher bei Geschäften mit Gästen der Stadt gemacht. Die Kaufkraft der Touristinnen und Touristen war hoch.

Die ausgezahlten Bundes- und Landeshilfen können die Einbußen nur bedingt kompensieren. Auch das Kurzarbeitergeld ist keine Dauerlösung. Auf eine besondere Problematik weist der Vorsitzende des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg hin: »Wir haben besondere soziale Schieflagen zu beachten«, sagt er. Die Not der Unternehmen sei zwar nicht zu übersehen, aber insbesondere bei Menschen mit niedrigen Einkommen, die in Teilzeit oder als Minijobber gearbeitet haben, gebe es jene »besondere Schieflage«. »Unsere große Aufgabe muss es sein, Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken.«

Alles erwartet nun gespannt, wie es weitergeht. Mit einer simplen Öffnung aller geschlossenen Geschäfte und Betriebe wird es nicht getan sein. »Bislang stand die Hilfe im Mittelpunkt, jetzt müssen wir langsam auf die Neustarthilfe umschalten«, so Klaus Lederer (Linke). Der Vizesenatschef und Kultursenator arbeitet derzeit wie andere Senatsbereiche auch an »Neustartprogrammen«. Dabei geht es unter anderem um die Bereitstellung von Krediten und Geldern, damit etwa die Kulturbetriebe bald wieder ihren Betrieb hochfahren können.

Es gibt aber auch Wirtschaftsbranchen in Berlin, die haben von einer Krise gar nichts mitbekommen. Der Onlinehandel boomt genau wie die Digitalwirtschaft, auch die Transformation der Berliner Wirtschaft wird durch die Krise eher beschleunigt. »Es ist eine gute Nachricht, dass sich Berlin beim Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im bundesweiten Vergleich nur im Mittelfeld von Minus fünf Prozent bewegt«, sagt Vizesenatschefin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne).