Viele Frauen zur Riester-Rente verdammt

Der »feine Unterschied« hat in der Altersvorsorge große Folgen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Frauen ziehen sichere Geldanlagen vor. Dies ist eine alte Erfahrung, über die viele Finanzdienstleister heute berichten. Sie trifft allerdings nicht auf sämtliche Frauen zu. Etwa die Hälfte von ihnen schätzen sich als »sehr sicherheitsorientiert« ein, zeigen Umfragen. Bei Männern ist es lediglich ein Drittel. Ein guter Grund für das höhere Sicherheitsbedürfnis ist die schlechte Rente, die im Alter droht.

Im Durchschnitt müssen Frauen mit deutlich weniger Altersbezügen auskommen als Männer derselben Altersklasse, zeigen Zahlen des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern betrug in Deutschland im Jahr 2019 rund 36 Prozent, während die Lohnlücke »nur« 20 Prozent ausmachte. Hinter diesem Durchschnittswert verbirgt sich zudem, dass Frauen häufiger von Altersarmut betroffen sind. Im Osten ist die Rentenlücke kleiner als im Westen, im Trend nähern sich alte und neue Bundesländer allerdings an. Langsam verringern tut sich seit den Nullerjahren auch die Lücke zwischen dem »Gender Pay Gap« (Einkommen) und dem »Gender Pension Gap« (Rente). Der Grund dürfte die zunehmende Berufstätigkeit jüngerer Generationen von Frauen sein. EU-weit beträgt die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern rund 29 Prozent, in Ungarn oder Dänemark lediglich rund 10 Prozent. Deutschland schneidet mit 36 Prozent im internationalen Vergleich weiterhin mäßig ab.

Wer während des Erwerbslebens wenig verdient, erhält auch später wenig Rente. Dieser Aspekt gerät oft in Vergessenheit, wenn es um den »Gender Pay Gap« geht, der die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männer meint. Die Corona-Pandemie hat die Kluft vergrößert. »Frauen sind einerseits besonders von Einkommenseinbußen betroffen, sie müssen überdurchschnittlich Freistellung, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit hinnehmen«, sagt Sandra Goldschmidt, stellvertretende Landesleiterin von Verdi Hamburg. Darüber hinaus müssten vor allem Frauen wegen Kita- und Schulschließungen ihre Arbeitszeit reduzieren. Aber Corona trifft nicht alle Frauen gleich. 22 Prozent mussten in den letzten Monaten Einkommenseinbußen hinnehmen und hatten durchschnittlich 517 Euro brutto pro Monat weniger zur Verfügung, ergab eine Umfrage des Finanzdienstleisters Fidelity anlässlich des Internationalen Frauentages. »Jede Sechste«, so eine Sprecherin »legt weniger für ihre Rente zurück und muss damit eine Altersarmut riskieren.« Die Rente ist ein »Spiegelbild der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Erwerbsbeteiligung«, heißt es in der Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Auch in normalen Zeiten werden danach Arbeitnehmerinnen schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen mit gleicher Qualifikation, sie sind häufiger in Minijobs oder Teilzeit beschäftigt und müssen oft Auszeiten für die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen nehmen, weil Männer hier weniger Zeit investieren. All das habe negative Folgen für die finanzielle Situation im Alter. Ausgleichsmechanismen wie die Anrechnung von Erziehungszeiten können diese Schieflage in der gesetzlichen Rente nur zum Teil korrigieren.

Eine Rolle für die Alterssicherung spielt auch, dass Frauen häufiger in »falschen« Jobs tätig sind. Ihr Anteil in schlecht entlohnten Berufen wie Friseur oder Verkäuferin ist hoch, in überdurchschnittlich gut bezahlten Bereichen wie den MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik niedrig. Im Ergebnis profitieren sie wenig oder gar nicht von Betriebsrenten.

Dies dürfte auch für Freiberufler und Selbstständige gelten. Immerhin ist der Anteil von Soloselbständigen, die in der Corona-Pandemie besonders hohe finanzielle Einbußen erlitten, mit 4,0 Prozent um ein Fünftel niedriger als bei Männern. Für Selbstständige ist die private Altersvorsorge besonders wichtig. Dies kann also nicht den hohen Anteil von Frauen in der Riester-Rente erklären, die auch vielen Selbstständigen zugänglich ist. Rund sechs Millionen Frauen haben einen Riester-Vertrag abgeschlossen, weit mehr als Männer.

Dies widerspricht nur auf den ersten Blick dem Bild des »schwachen Geschlechts« in der Altersvorsorge. Die jüngste Statistik des Bundesfinanzministeriums von Olaf Scholz zeigt, dass zwei von drei Frauen mit Riester-Vertrag ein niedriges oder Einkommen beziehen. Aufgrund der vergleichsweise hohen staatlichen Zuschüsse zahlt sich Riestern eher für untere Gehaltsgruppen und Alleinerziehende aus.

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