»Wir verteidigen die Beschäftigung«

In Spanien wird am Frauenkampftag in allen Regionen dezentral demonstriert, nur in Madrid ist es verboten

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hoch lebe der Frauenkampf!« So schallte es am Morgen in der Dunkelheit vor den Werkstoren des Herstellers von Edelstahlrohren Tubacex im baskischen Laudio, als der feministische Demonstrationszug unter starkem Beifall bei den Streikenden eintraf. Seit vier Wochen wird dort gegen die Entlassung von 150 Kolleg*innen gestreikt. Obwohl in diesem Jahr am 8. März im Baskenland, anders als in anderen Regionen Spaniens, nicht zum Frauenstreik aufgerufen worden war, gab es schon am frühen Morgen Proteste.

»Wir verteidigen die Beschäftigung«, stand auf dem Transparent der Frauen. Etwa 200 setzten sich schließlich zum Sitzstreik vor die Einfahrt. Sie verhinderten, dass die Werksleitung mit Streikbrechern auf das Werksgelände gebracht werden konnte. Immer wieder hatte in den vergangenen Wochen die Polizei den Bussen den Weg frei geknüppelt. Angesichts des großen und entschlossenen Protests, drehten die Busse und starke Polizeieinheiten am Montag aber unverrichteter Dinge ab.

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Angesichts der Corona-Pandemie gab es, wie im gesamten Land, dezentrale Aktionen, um Abstände und Hygieneregeln einhalten zu können. Massendemonstrationen mit Zehntausenden Menschen sollte es 2021 nicht geben. Es werden konkrete Kämpfe wie in Laudio unterstützt. Wie in Bilbao beteiligten sich die Frauen auch in anderen Städten am montäglichen Protest der Rentner, die seit drei Jahren für eine würdige Rente von mindestens 1080 Euro monatlich kämpfen.

In Katalonien, Galicien, Andalusien und Aragon waren die Frauen von Regionalgewerkschaften und der anarchosyndikalistischen CGT zum Streik aufgerufen. Die CGT verschaffte mit dem Aufruf allen Frauen im Land eine legale Basis zum Streiken. In Katalonien kam es schon am Morgen zu Blockaden von Straßen und Universitäten und größeren Demonstrationen. Die gab es im Laufe des Tages in vielen Städten, wie auch im galicischen Santiago de Compostela. In Galicien hatte auch die linksnationalistische BNG, zweitstärkste Partei der Region, zum Streik aufgerufen. Die Pandemie habe auf der einen Seite die »tragende Rolle« der »Frauen bei der Aufrechterhaltung des Lebens und für die Gesellschaft« gezeigt. Auf der anderen Seite diene die Pandemie aber »als Alibi, um soziale Errungenschaften einzufrieren oder unsere Rechte zurückzuschrauben!« Ohnehin benachteiligte Frauen seien besonders betroffen und dem soll mit dem Streik begegnet werden.

Ein besonderer Blick fiel auf Madrid. In der gesamten Hauptstadtregion waren mehr als 100 Versammlungen verboten. Ein Teil der Bewegung wollte sich, wie die Studentengewerkschaft, nicht an das Verbot halten. Sie protestierte schon am Mittag im Zentrum und verteidigte die »Meinungsfreiheit und die Demokratie«.

Es war für viele unverständlich, dass die Zentralregierung das Verbot in Madrid bestimmt hatte. Begründet wurde es von den Sozialdemokraten (PSOE) mit der »öffentlichen Gesundheit«. Dabei waren nur Versammlungen mit höchstens 500 Teilnehmerinnen unter Einhaltung aller Hygieneregeln geplant. In der von den Konservativen regierten Region, die von der ultrarechten VOX-Partei gestützt werden, herrschen die laxesten Covid-Regeln, weshalb die Inzidenzzahlen weiter hoch sind. Kneipen, Bars und Kinos sind geöffnet und Touristen fliegen zum Feiern nach Madrid ein, aber Frauenproteste im Freien sind verboten. Das leuchtet vielen nicht.

Dass am Sonntag sogar Hunderte Fußballfans ohne Sicherheitsabstand feiern durften, nahm die sozialdemokratische Vize-Ministerpräsidentin Carmen Calvo achselzuckend hin. Das sei »spontan« geschehen. Auch mit solchen Aussagen vergrößert die PSOE den Riss zum Koalitionspartner »Unidas Podemos« (UP) weiter. Die Gleichstellungsministerin Irene Montero (UP) spricht von einer »Stigmatisierung« der Frauen, denen über eine »reaktionäre Agenda« die Straße geraubt werden soll. Die Widersprüche in der Regierung werden größer, da UP auch in sozialen Fragen kaum etwas umgesetzt bekommt und der Unmut wächst.

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