Keine Gäste, sondern Inländer

Integrationsgipfel befasste sich mit Teilhabe und Bekämpfung von Rassismus

Migranten und ehemalige Geflüchtete sowie Nachfahren von Einwanderern machen mehr als ein Viertel der Bevölkerung der Bundesrepublik aus. Und noch immer haben sie sehr viel schlechtere Aufstiegschancen, finden viel schwerer Wohnungen, Jobs, einen Ausbildungsplatz. Und sie sind in Behörden und Politik nach wie vor völlig unterrepräsentiert. All das ist durch Studien ausreichend belegt. Um daran etwas zu ändern, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor nunmehr 15 Jahren den Integrationsgipfel ins Leben gerufen und das Amt der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung geschaffen. Zum Gipfel kommen jeweils rund 120 Vertreter von Migrantenverbänden, von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft, Kultur, Medien und Sport zusammen. Am Dienstag trafen sie sich bereits zum 13. Mal, dieses Mal per Videokonferenz, mit dabei waren auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Einmal mehr war die Zusammenkunft von Appellen geprägt. Immerhin: Der Nationale Aktionsplan Integration wurde am Dienstag verabschiedet, nachdem er unter Leitung der Integrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz (CDU) seit 2018 unter Beteiligung von rund 300 Akteuren erarbeitet worden war.

Mit dem mehr als 100 Punkte umfassenden Aktionsplan sei ein »strategischer, integrationspolitischer Ansatz für die 2020er Jahre« und für eine moderne Einwanderungsgesellschaft geschaffen worden, sagte Widmann-Mauz. Die darin aufgeführten Maßnahmen reichen von Hilfen für zuwandernde Fachkräfte im Heimatland über Unterstützung beim Spracherwerb bis zu Anstrengungen für mehr Chancengleichheit in Wirtschaft und öffentlichem Dienst. Hauptthemen des Treffens am Dienstag waren Einbürgerung, politische Partizipation und Bekämpfung von Rassismus.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), in dessen Zuständigkeit die Integration fällt, nahm übrigens erneut nicht teil. Erstmals war er dem zehnten Gipfel im Juni 2018 ferngeblieben. Er hatte dies mit der Teilnahme der Journalistin Ferda Ataman begründet, die es in einem Artikel für falsch erklärt hatte, Deutschland »als Heimat der Menschen, die zuerst hier waren« zu verstehen.

Aus den Oppositionsparteien kam am Dienstag erneut deutliche Kritik an der Bilanz der bisherigen Gipfel. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, forderte einen »Paradigmenwechsel« weg von »Gießkannenförderung hier, ein paar Kampagnen und unverbindliche Absichtserklärungen dort«. Es brauche endlich ein modernes Staatsangehörigkeitsgesetz und ein Bundespartizipationsgesetz, schreibt Polat in einer Pressemitteilung. Statt Einbürgerungskampagnen solle »der Doppelpass die Regel sein und die Optionspflicht ohne Wenn und Aber abgeschafft werden«. Bislang müssen sich bestimmte Einwanderergruppen als Erwachsene für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Weiter mahnt Polat das Wahlrecht auf kommunaler Ebene auch für Nicht-EU-Bürger an. Es müsse zudem sichergestellt werden, »dass Menschen mit Rassismuserfahrung sowohl in der Bundesverwaltung als auch in Bundesgremien angemessen vertreten sind«. Dies müsse über Quoten geregelt werden.

Zudem hält Polat die statistische Erfassung des Merkmals »Migrationshintergrund« für nicht mehr zeitgemäß. Diese lasse nämlich unterrepräsentierte Gruppen wie deutsche Sinti und Roma oder Schwarze Menschen unberücksichtigt.

Auch der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Jörg Schindler, fordert ein neues Staatsangehörigkeitsrecht »mit einem Anspruch auf Einbürgerung nach fünf Jahren Aufenthalt«. Weiter plädiert er für ein »Teilhabegesetz des Bundes mit Verbandsklagerecht«. Zudem brauche es statt »Ausländerbehörden als Teil der Innenverwaltung« endlich »Einwanderungsbehörden, die Teil der Sozialverwaltung sind, soziale Desintegration bekämpfen und zugleich umfassende Teilhabe sicherstellen«.

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