Diese Lücke kann niemand füllen

Das Nachwuchsproblem im deutschen Biathlon wird ein knappes Jahr vor Olympia durch Arnd Peiffers Rücktritt plötzlich akut

  • Marco Krummel
  • Lesedauer: 3 Min.

Erik Lesser stehen nach dem Rücktritt von Arnd Peiffer «stressige» Zeiten bevor. «Ich werde Bewerbungen durchgehen. Ich habe ein richtiges Casting mit Recall, wer mein nächster Zimmerpartner wird», sagt der 32-Jährige laut lachend. Doch Lesser ist auch der Ernst der Lage bewusst. Der Abschied seines langjährigen Zimmergenossen Peiffer trifft den deutschen Biathlonsport ins Mark - knapp elf Monate vor Olympia klafft plötzlich ein riesiges Loch, weil einer der wenigen Medaillenkandidaten wegfällt. «Es ist wunderbar, mit dem Gefühl aufzuhören, noch konkurrenzfähig zu sein», kommentierte Peiffer am Dienstag seinen unerwarteten Rücktritt. Bei den Weltmeisterschaften holte er im Februar mit Silber im Einzel seine 20. internationale Medaille - es war das einzige deutsche Edelmetall in einem Solorennen.

«Das letzte bisschen Halt fällt, die letzte Bastion. Das wird schon schwierig», prophezeit Lesser im gemeinsam mit Peiffer produzierten Podcast «Das Biathlon Doppelzimmer». Für das Team sei Peiffers plötzlicher Abgang «ein ziemlicher Schock» und ein «herber Verlust», betont Lesser. Denn dadurch falle «viel Erfolg weg».

Kurz vor den Olympischen Winterspielen in Peking und knapp zwei Jahre vor den Heim-Weltmeisterschaften in Oberhof sind die Aussichten der früher erfolgsverwöhnten deutschen Männer düster. Es ist niemand in Sicht, der die Lücke füllen könnte. Das bereits länger sichtbare Nachwuchsproblem wird mit den Rücktritten von Peiffer und zuvor Simon Schempp schneller akut, als es sich die Verantwortlichen im Deutschen Skiverband gewünscht hätten. «Die Jüngeren lassen ein bisschen Federn, die Alten holen die Eisen aus dem Feuer. Und bei den Alten hat Arnd rausgestochen», fasst Lesser zusammen.

Arnd Peiffer sorgte in dieser Weltcupsaison in Einzelrennen für fünf der sechs Podestplätze, er holte zudem den einzigen deutschen Saisonsieg. Nur der Harzer, der an diesem Donnerstag 34 Jahre alt wird, habe es geschafft, hier und da sein Können zu zeigen«, lobt Lesser. Er selbst mit seinen 32 und Doll mit 30 Jahren waren einigermaßen auf Tuchfühlung zur absoluten Weltspitze. Doch dahinter? Lange, lange nichts. Das restliche Team schaffte nur eine Top-15-Platzierung, aktuell würden die deutschen Männer für Peking nicht einmal eine konkurrenzfähige Staffel zusammenbekommen. »Punktuell« werde man Erfolge haben, führt Lesser aus, »aber in der Breite werden wir uns genauso spärlich vorne zeigen wie dieses Jahr.«

Peiffer selbst will nicht ganz so schwarzmalen. »Grundsätzlich ist jeder ersetzbar«, sagte der Olympiasieger und 17-malige WM-Medaillengewinner, der schon beim Weltcupfinale am Wochenende in Östersund nicht mehr am Start sein wird. »Manchmal versteckt man sich auch zu sehr«, meinte er. Nun könnten Junge aus seinem Schatten treten.

»Absolute Überflieger« seien im Nachwuchs allerdings nicht in Sicht, monierte der Sportliche Leiter Bernd Eisenbichler zuletzt. Es gehe darum, sich bei den wenigen vorhandenen Talenten »keine Fehler« zu erlauben und diese »gut und sauber« zu entwickeln. Am besten schnell. Denn sonst, so mutmaßt Erik Lesser, würden die kritischen »äußeren Rufe noch viel, viel lauter«. Und die Erfolgsgeschichte von Biathlon in Deutschland könnte anfangen zu bröckeln.SID/nd

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