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  • Impfzentrum Tempelhof

Ohne Test in die Kabine

Im Tempelhofer Impfzentrum scheint man es beim Ansteckungsrisiko nicht so genau zu nehmen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Der junge Impfassistent ist fassungslos. »Was hier passiert, ist grob fahrlässig, dabei sind wir doch die erste Brandschutzmauer gegen die Pandemie«, sagt der junge Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, zu »nd«. Er befürchtet, seinen Job zu verlieren, wenn bekannt wird, dass er es war, der sich an die Öffentlichkeit gewandt hat, um darauf aufmerksam zu machen, dass im Corona-Impfzentrum (CIZ) Tempelhof wichtige Maßnahmen zur Verhinderung einer Covid-19-Ansteckung zu wenig Beachtung finden.

Es ist Mittwoch, gleich beginnt die sechsstündige Schicht im Gebäude des ehemaligen Flughafens. Hier arbeitet der Mann seit dem 1. März. Zunächst absolvierte er eine einwöchige Schulung, um dann ab dem 8. März Menschen auf dem Weg zu ihrer Impfung gegen eine Erkrankung mit dem Coronavirus in Empfang zu nehmen. Er führt die Anmeldung der Impflinge durch und begleitet sie dann in die Impfkabine.

Was unkompliziert klingt, stellt in den Augen des Impfhelfers allerdings ein Problem dar. »Hier arbeiten 200 Leute, von denen sind aber noch nicht alle geimpft«, berichtet er. Wenn geimpft werde, dann mit Restbeständen, die den Tag über keine Verwendung gefunden haben.

Dass es in den Impfzentren schleppend vorangeht, ist kein Geheimnis. Hinzu kam die Zwangspause in der vergangenen Woche, als die Impfungen mit dem Vakzin Astra-Zeneca, was auch in Tempelhof verimpft wird, kurzfristig ausgesetzt wurden. Trotzdem sollte man meinen, dass Impfhelfer*innen prioritär geimpft werden.

Dies sei nicht der Fall, sagt der Impfassistent. Er gehöre immerhin zu denjenigen, die die Immunisierung schon erhalten haben - »darum bin ich auch sehr froh«. Ein viel größerer Mangel besteht in seinen Augen darin, dass für die Beschäftigten des CIZ keine regelmäßigen Schnelltests zur Anwendung kommen. »Das ist absurd, der Arbeiter-Samariter-Bund betreibt doch Teststellen, warum werden wir dann nicht vor Dienstantritt getestet?«, fragt der junge Mann.

Er mache sich Sorgen um die Menschen, die als Angehörige von Risikogruppen ins Impfzentrum kommen und sich hier der Gefahr einer Ansteckung aussetzen. »Da kommen Leute, die nicht mal in den Supermarkt gehen, und dann treffen die auf uns«, befürchtet er. Nicht nur die ungeimpften Beschäftigten könnten schließlich unwissentlich das Virus übertragen, sondern auch diejenigen, die den Pieks schon erhalten haben und sich selbst nicht mehr anstecken.

»Es kann sein, dass es gut geht, aber das muss nicht sein - und dabei ist es vermeidbar«, ärgert sich der Helfer. Nicht nur er komme den Leuten nahe, auch die Security sei nah dran an den Impflingen. Auch untereinander begegneten sich die Beschäftigten mitunter mit viel zu wenig Abstand, kritisiert er weiter einen Umstand, der in seinen Augen leicht zu ändern wäre: »Der Bereich, in dem wir eine kurze Pause machen, um auch mal die Maske abzusetzen, ist zu klein, um dort auf ausreichend Abstand zu achten.«

Dabei könne man doch einfach für diesen Zweck einen weiteren Saal öffnen. »Hier steht doch alles leer«, wundert sich der Impfassistent. Nicht zuletzt bestünde ja auch das Risiko, dass sich viele Beschäftigten aus einer Schicht auf einen Schlag anstecken. »Ich habe versucht, es anzusprechen, aber es hieß nur: Wir arbeiten dran!« Die Zeit sei knapp.

Das CIZ Tempelhof ist neben dem im Erika-Heß-Eisstadion, das bereits im Januar eröffnet hatte, das zweite Impfzentrum, das der Arbeiter-Samariter-Bund Berlin in Kooperation mit der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Berlin betreibt. Es war das letzte der Hauptstadt, das seine Türen für die Impfung mit dem Vakzin Astra-Zeneca geöffnet hatte. Zunächst können bis zu 2000 Impfungen pro Tag angeboten werden, in der Spitze könnten hier täglich bis zu 3300 Personen geimpft werden, teilt die DLRG auf ihrer Webseite mit. Geimpft werden sollen hier vor allem Erzieher*innen, Lehrer*innen und Polizist*innen. Die Aufklärung und Impfung selbst wird, wie in allen Berliner Impfzentren, durch die Kassenärztliche Vereinigung organisiert. Die Impfzentren in Tegel und Tempelhof sind auch am Wochenende geöffnet. In dem in Tempelhof wird ganztägig von 9 bis 18 Uhr im Zweischichtsystem geimpft. Voll ausgelastet ist das Zentrum allerdings auf absehbare Zeit noch nicht.

»Die Hygienevorschriften in den Impfzentren sind sehr streng und sie werden auch eingehalten«, sagt die Sprecherin für die Berliner Impfzentren, Regina Kneiding, zu den Vorwürfen. Ihr sei vor diesem Hintergrund noch keine Ansteckung in den CIZ bekannt geworden. »In den Zentren ist sehr viel Platz, dort kann man auch alle nötigen Abstandsregeln einhalten«, so die Sprecherin gegenüber »nd«.

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