Beide Seiten sind zufrieden

IG Metall und Arbeitgeber einigen sich in NRW auf Pilottarifvertrag

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitte März war die Stimmung noch aufgeladen. »Null Komma null ist keine Verhandlungsbasis«, polterte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in der »Bild am Sonntag« Richtung Arbeitgeber der Metall- und Elektrobranche. Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf ätzte zurück: »Ich würde mir wünschen, dass die IG Metall jetzt auch mal als Sozialpartner agiert.«

Zwei Wochen später scheinen sich beide Seiten wieder zu vertragen. In Nordrhein-Westfalen einigten sie sich in der siebten Verhandlungsrunde auf einen Pilottarifvertrag. »Inmitten einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir erreicht, dass die Krisenfolgen fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeladen werden«, freute sich Hofmann. »Wir haben unter den schwierigen Bedingungen von Rezession und Corona-Pandemie eine gute Lösung gefunden«, erklärte Wolf. »Wir setzen damit ein Zeichen der Zuversicht und haben eine gute Nachricht für unsere Unternehmen und unsere Mitarbeiter.«

Nach einer zehnstündigen Verhandlungsrunde einigten sich IG Metall und Metall NRW am Dienstagmorgen in Düsseldorf für die rund 700 000 Beschäftigten der Branche in Nordrhein-Westfalen auf eine Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro. Vor allem aber soll es eine Lohnerhöhung von 2,3 Prozent geben, die als zwei Einmalzahlungen im Februar 2022 und Februar 2023 an die Beschäftigten überwiesen werden. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 21 Monaten. Auszubildende erhalten 300 Euro mehr.

Der IG-Metall-Vorstand und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall empfahlen den anderen regionalen Gliederungen, die Ergebnisse der Verhandlungen zu übernehmen. Die IG-Metall-Bezirke Mitte (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen) und Küste (Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) erklärten bereits, die Übernahme anzustreben.

Wie von der IG Metall gefordert, soll die Lohnerhöhung als »Transformationsgeld« wahlweise ausgezahlt oder als Teilentgeltausgleich bei Arbeitszeitabsenkung, etwa für die Einführung einer Vier-Tage-Woche verwendet werden. Darüber entscheiden Arbeitgeber und Arbeitnehmer je nach Situation im Betrieb. So hat sich die IG Metall mit den Arbeitgebern auf einen verbindlichen Prozess hin zu Zukunftstarifverträgen verständigt. Schließlich befindet sich die Branche aufgrund von Klimawandel und Digitalisierung derzeit in einer Umbruchphase.

Nach dem nun getroffenen Kompromiss müssen die Betriebsparteien über die Herausforderungen der Transformation im Betrieb beraten, wenn eine Partei das wünscht.

»Es ist uns gelungen, die Einkommen der Beschäftigten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern. Das ist zunächst eine Frage der Gerechtigkeit«, verbuchte IG-Metall-Chef Hofmann den Abschluss als Erfolg. »Wir stärken damit aber auch die Nachfrage und stützen somit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.« Auf der Arbeitgeberseite ist man froh, dass man dieses Jahr nicht mehr Lohn zahlen muss.

Ursprünglich hatte die Industriegewerkschaft für die bundesweit 3,8 Millionen Beschäftigten der Branche vier Prozent mehr Gehalt gefordert. Die Arbeitgeber mauerten lange und sprachen sich für Lohnerhöhungen frühestens 2022 aus. Mit den 2,3 Prozent mehr, die in Einmalzahlungen erst ab nächsten Februar gezahlt werden, können beide Seiten etwas für sich als Erfolg verbuchen.

Das Ergebnis ist damit weit vom Abschluss 2018 entfernt. Damals erreichte die IG Metall 4,3 Prozent mehr Gehalt für die Beschäftigten. »Der Tarifabschluss ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt«, frohlockte damals Jörg Hofmann über das Verhandlungsergebnis in Baden-Württemberg, das als Pilotvertrag für das restliche Bundesgebiet diente. Denn die Gewerkschaft dealte zusätzlich einen Anspruch auf eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit aus. Doch lief die Konjunktur 2018 noch rund. Damals stieg die Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent, 2017 waren es sogar 2,2 Prozent. Nun hat die Coronakrise die Wirtschaft fest im Griff. Vergangenes Jahr sackte das Bruttoinlandsprodukt um fünf Prozent ein.

Dass die Wirtschaft in die Krise geraten würde, war schon bei den Verhandlungen im vergangenen Frühjahr abzusehen. Im März 2020 gab es eine Nullrunde. Statt Lohnerhöhungen wurde ein Arbeitgeberzuschuss im Falle von Kurzarbeit vereinbart. »In dieser Krise sind solidarische Lösungen gefragt. Jetzt kommt es darauf an, dass die Beschäftigten Sicherheiten bekommen«, sagte damals Hofmann.

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