Kampf um Mietenstopp in Potsdam

Mit Demonstrationen, Petitionen und Initiativen wehren sich Bürger gegen ausufernde Wohnkosten

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

In der 180.000-Einwohner-Metropole Potsdam hält der Wohnungsbau nicht mit der wachsenden Nachfrage Schritt. Gegen automatisch steigende Wohnungsmieten regt sich nun vielfältiger Widerstand. Vor einer Woche haben rund 150 Menschen in der Innenstadt demonstriert. Anlässlich des internationalen »Housing Action Day« wollten die Initiatoren des Netzwerks »Stadt für alle« auf die Folgen von Großprojekten und Luxuswohnanlagen für den Mietmarkt aufmerksam machen. Laut tönte der Ruf »Hopp, hopp - Mietenstopp!« durch die Straßen.

Die Stadt habe noch immer keines der wenigen politischen Instrumente zum Schutz von Mieterinnen in Potsdam umgesetzt, kritisierte Holger Zschoge vom Netzwerk »Stadt für alle«. »Es gibt noch immer keine soziale Erhaltungssatzung, keinen Milieuschutz, kein Vorkaufsrecht.«

In der Stadtverordnetenversammlung tritt die Fraktion »Die Andere« dafür ein, dass die städtische Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam die Mieten nur noch minimal erhöhen darf. Von Ende April oder Anfang Mai an will eine Initiative »Potsdamer Mietendeckel«, Unterschriften für dieses Ziel sammeln. Pro Potsdam dürfe die Nettokaltmieten in fünf Jahren nur noch um ein Prozent erhöhen, forderte der Initiator, der ehemalige Die-Andere-Abgeordnete Lutz Boede. Die Initiative will rund 17.000 Unterschriften sammeln, zehn Prozent der wahlberechtigten Potsdamer müssten mitmachen. »Wir planen auch einen noch größeren Schritt und möchten unser Anliegen zur Volksinitiative machen«, kündigt Boede an. Dafür werden 20.000 Unterstützerunterschriften benötigt.

Angst vor dem Mietendeckel

Pro Potsdam warnt vor einem Mietendeckel. Gegenüber lokalen Medien betont das Unternehmen, das 18.000 Wohnungen im Bestand hat: »Mietenstopp führt zum Wohnungsbaustopp.« Die Mieteinnahmen der Pro Potsdam seien die einzige Quelle für den notwendigen Eigenanteil beim sozialen Wohnungsneubau. Auch Wohnungsverkäufe aus dem Bestand stünden sonst wieder im Raum. »Die laufende Pflege des Wohnungsbestandes kann nicht mehr erfolgen, und es entsteht ein zunehmender Instandsetzungsstau«, erklärt Sprecher Sven Alex.

Im Mittelpunkt des Streits steht der Staudenhof, ein innerstädtischer DDR-Wohnblock mit 182 kostengünstigen Ein-Raum-Wohnungen, der der neobarocken Stadterneuerung im Wege steht. Weil die Sanierung des Komplexes teurer als ein Neubau wäre, hat auch die Linke im Stadtparlament ihren Widerstand gegen die Neubebauung aufgegeben. Dem Staudenhof, in dem noch 66 Mieter mit unbefristeten Verträgen wohnen, droht die Abrissbirne. »Alle bekommen eine Ersatzwohnung angeboten«, versicherte Pro-Potsdam-Chef Bert Nicke.

Wohnungsnot und zu hohe Mieten treffen natürlich nicht alle Potsdamer. So können sich die 1.500 Beamten des Präsidiums der Bundespolizei, die demnächst in Potsdam arbeiten werden, ihre Mieten gewiss leisten. Ihre Ankunft wird aber die Situation für alle Potsdamer Mieter verschärfen.

Vor Ostern hat die Landesregierung die neue Verordnung zur Mietpreisbegrenzung im Land beschlossen. Die sogenannte Mietpreisbremse bestimmt, dass bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Miete maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die Regelung gilt rückwirkend ab 1. Januar. Bauminister Guido Beermann (CDU) erklärte: »Ein wichtiges Element der Wohnungspolitik des Landes ist es, bezahlbare Wohnverhältnisse zu sichern - wie sie in weiten Teilen Brandenburgs bereits bestehen - und dabei ein investitionsfreundliches Wirtschaftsklima zu erhalten.« Auch Potsdam gehört zum Kreis der von der Verordnung erfassten Kommunen. Dort dürfen die Mieten in bestehenden Mietverhältnissen innerhalb von drei Jahren um höchstens 15 Prozent erhöht werden.

Freier Markt statt sozialer Wohnungsbau

Für die Linke-Abgeordnete Isabelle Vandre ist Brandenburg beim Thema Sozialwohnungen in die derzeitig unbefriedigende Lage geraten, weil hier wie überall in Deutschland deren Bau nach 1990 massiv abgenommen habe und durch eine Förderpolitik zugunsten des »freien Marktes« ersetzt worden sei.

Der Deutsche Mieterbund Brandenburg fordert in einer im Oktober 2020 gestarteten Petition den Landtag auf, die Kappungsgrenzen- und die Mietpreisbegrenzungsverordnung für fünf Jahre beizubehalten und 2024 eine erneute Prüfung der Wohnungsversorgung vorzunehmen.

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