Hinaus aus der Enge

Benjamin Patch ist erster offen queerer Spieler im deutschen Profisport und will Vorbild für andere sein

  • Martin Moravec
  • Lesedauer: 3 Min.

Bundfaltenhose, Hemd, Krawatte. Benjamin Patch musste so was mal tragen. Das liegt lange zurück. Zwischen damals und heute liegen Welten. Denn heute kann man sich den Star der Berlin Volleys in so einem züchtigen Outfit kaum mehr vorstellen. Patch ist als schwarzes Adoptivkind von weißen Mormonen in Salt Lake City im konservativen US-Bundesstaat Utah aufgewachsen. Als er 19 war, musste er mit der Missionarsarbeit beginnen, also versuchen, andere von seiner Religionsgemeinschaft zu überzeugen.

Mormonen leben in Utah nach sehr strengen Glaubensregeln, auch was die Sexualität betrifft. Patch kam damit bald nicht mehr klar. Es gab mehrere Gründe für den Bruch mit der Familie, ein entscheidender: »Ich mag Männer«, sagt der 26-Jährige und lacht. »Ich bin ein sehr offener Mensch. Ich habe immer gespürt, dass ich dem Leben allgemein aufgeschlossen bin.«

Patch, leiblicher Sohn eines ehemaligen Football-Profis, stieg aus. »Es war für mich ein riesiger Moment, entscheiden zu müssen: Führe ich weiter ein Leben hinter Mauern, oder reiße ich diese nieder und entscheide mich, ein freier und selbstbestimmter Mensch zu sein«, erzählt der US-Nationalspieler vor dem Auftakt der Finalserie um die deutsche Volleyballmeisterschaft gegen den VfB Friedrichshafen an diesem Donnerstag (18.00 Uhr/ Sport1). Patch verließ die USA und wechselte nach Italien. Das Jahr in Kalabrien sollte eigentlich seine Befreiung sein, frei fühlte er sich dort aber nie. Süditalien war für ihn starr, eng, irgendwie so wie Utah.

Also wechselte der Diagonalangreifer 2018 nach Berlin - und die deutsche Hauptstadt fühlt sich für ihn nun so an, als könne er nach langem Luftanhalten endlich ausatmen. »Es ist ein wundervoller Ort, um sich selbst kennenzulernen und akzeptiert zu werden, egal wie man ist«, sagt Patch.

Offen ist er, das trifft es wohl am besten. Beiläufig erzählte er dem »Tagesspiegel« im vergangenen Jahr, dass er queer sei. »Für mich hatte das keinen Schockeffekt. Was hätten die Leute denn tun sollen? Sollen sie dich feuern, weil du queer oder schwul bist? Die ganze Welt wäre hinter solchen Menschen her«, sagte Patch. »Es muss sich normalisieren, weil es etwas ganz Normales ist.«

Berlin ist die richtige Stadt für ihn, die Volleys der richtige Verein. »Im 21. Jahrhundert sollte es im Sport selbstverständlich sein, sich outen zu können«, sagte Geschäftsführer Kaweh Niroomand und verlängerte den Vertrag von Patch bis 2024.

Der Amerikaner traut seiner Generation eine entscheidende Rolle in der Debatte um sexuelle Selbstbestimmung zu: »Wir haben die Stimme. Wenn Menschen nicht fair behandelt werden, haben wir die Macht, uns Gehör zu verschaffen. Ich selbst versuche, ein Pionier des Guten zu sein.«dpa/nd

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