Wie die Raubkatzen

Dresdens Volleyballerinnen wollen die Aufholjagd im Titelrennen fortsetzen

  • Ullrich Kroemer, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Als ein Knall die Analyse von Trainer Alexander Waibl unterbrach, schaute sich der Trainer von Volleyball-Bundesligist Dresdner SC erstaunt in seiner Heimarena um. Ein Hallentechniker hatte am späten Samstagabend kontrolliert die Konfettikanone gezündet, die für eine mögliche Meisterfeier von Dresdens Gegner MTV Stuttgart vorbereitet worden war. Die Party der Schwäbinnen hatte der DSC allerdings gerade durch einen furiosen 3:2-Sieg im dritten Finalspiel verhindert. Oder zumindest verzögert, denn an diesem Mittwoch müssen die Dresdnerinnen in Stuttgart (18 Uhr/Sport1) den nächsten Matchball abwehren. Nach einer Durststrecke von fünf Jahren, in denen es die fünfmaligen Meisterinnen aus Sachsen nie über das Halbfinale hinaus geschafft hatten, wollen die Dresdnerinnen schließlich selbst die Gelegenheit ergreifen, erstmals seit 2016 wieder den Titel zu holen.

»Die haben jetzt die Hosen voll«, sagt Dresdens Führungsspielerin Jennifer Janiska so frech und forsch, wie sie zuvor am Samstag zuvor gespielt hat. Nach dem Fehlstart daheim und einer unglücklichen Niederlage in Stuttgart hatte der DSC im dritten Playoff-Endspiel endlich alle Hemmungen abgelegt und sich für ein mutiges und risikofreudiges Auftreten auch belohnt. »Wir brauchen immer ein bisschen Gewöhnungszeit, und dann fängt der Zug richtig an zu rollen«, erklärt Janiska, die die meisten deutschen Volleyballfans noch unter ihrem Mädchennamen Geerties kennen.

Trainer Waibl, der Stuttgart 2008 selbst in die Bundesliga geführt hatte und nun bereits im zwölften Jahr in Dresden tätig ist, hat vor allem zwei Faktoren im Vergleich zu den Vorjahren ausgemacht, die sein Team durch diese Saison tragen. Erstens: »Wir haben mehrere Spielerinnen, die wie Jennifer Janiska brutale Wettkampftypen sind. Sie ist eine unglaubliche Frau, geht immer volles Rohr, wirft alles rein«, schwärmt der Coach.

Im fünften Satz gegen Stuttgart drehte die 27 Jahre alte, zweimalige deutsche Meisterin richtig auf und trug das Team mit ihrer Energie und Aggressivität. Vor der Finalserie hatte sie versprochen: »Am Anfang waren wir noch wie kleine Tigerbabys, jetzt sind wir zu Raubkatzen geworden, die aus ihrem Käfig herauswollen.« Dieses Versprechen löste das Team aber erst mit dem furiosen Sieg ein und biss im fünften Saisonspiel gegen Favorit Stuttgart erstmals zu. »Endlich«, sagt Janiska lachend. »Ich hatte mich schon ein bisschen geschämt nach der Headline.«

Der zweite große Unterschied trägt den Namen Maja Storck, die als Diagonalangreiferin das Gros der Punkte macht und in der Finalserie Stuttgarts Star Krystal Rivers - beste Angreiferin der Liga - ebenbürtig ist. »Wir haben endlich wieder eine Diagonalspielerin, die aus hohen Bällen Punkte macht«, strahlt Waibl über seine Matchwinnerin. »Hätten wir Maja schon früher gehabt, wären wir mit Sicherheit in der Zwischenzeit mindestens noch einmal Meister geworden«, meint der Trainer.

Vor der Saison hatten Waibl und Managerin Sandra Zimmermann die junge Schweizerin (22) aus Aachen nach Dresden gelotst. Anfangs sei er noch skeptisch gewesen, weil Storck mit 1,83 Meter für eine Topscorerin eigentlich ein paar Zentimeter fehlen. »Aber als ich im ersten Training den Schlag gesehen habe, den die Frau hat, war alles klar«, staunt Waibl noch immer.

Schon in Aachen habe Maja Storck spektakuläre Dinge gemacht, »aber immer wenn es wichtig war, war sie nicht die entscheidende Spielerin«, hatte Waibl beobachtet. Also feilte er nach ihrem Wechsel am Auftreten sowie dem Schlagrepertoire und entwickelte sie damit zu der Spielerin, die nun in den Meisterschaftsendspielen den Unterschied für Dresden ausmachen kann. »Sie hat in dieser Saison emotional einen Riesenschritt vorwärts gemacht, ist unheimlich gereift«, sagt Waibl.

Storck selbst räumt ein, dass sie gerade zu Beginn der Saison den Meisterdruck gespürt habe. »Aber ich wollte nicht in die Opferrolle kommen und habe gelernt, dass ich die Punkte machen, aber auch damit leben muss, wenn es mal danebengeht«, sagt die Frau mit der Urgewalt im rechten Arm. Opfer ihrer donnernden Schläge sind nun eher die Gegnerinnen. Gut möglich also, dass es in einem möglichen fünften Finalspiel am kommenden Samstag doch noch Konfetti in Dresden regnet - dann aber für den DSC.

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