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Dreikampf um Haseloffs Gunst

Gut sechs Wochen vor der Landtagswahl ist die FDP im Rennen um eine Regierung mit der CDU – neben SPD und Grünen. Die Linke schmiert weiter ab.

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 5 Min.

»Der Richtige in schwierigen Zeiten« – mit diesem Slogan präsentiert sich Reiner Haseloff gut sechs Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt auf einem Großplakat, das zum offiziellen Auftakt der Plakatkampagne am Dienstag in Magdeburg präsentiert wurde. Die Botschaft ist so ernst wie die Corona-Pandemie und zugleich so befreit von politischen Inhalten wie die Ergebnisse der vergangenen Ministerpräsidentenkonferenzen. Zugleich setzt CDU-Mann Haseloff, der seit fünf Jahren eine Kenia-Koalition mit SPD und Grünen leitet und nach der Wahl am 6. Juni in seine dritte Amtszeit als Regierungschef gehen will, auf eine starke Personalisierung. Frei nach dem altgedienten Merkel-Motto: Sie kennen mich!

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die seit 2002 dauerhaft regierende CDU mindestens bis 2026 weiter im Amt bleiben wird. Nach einer neuesten Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des MDR kommen die Christdemokraten auf 27 Prozent und würden trotz leichter Verluste (-2,7) im Vergleich zur Landtagswahl 2016 stärkste Kraft bleiben. Leichte Zugewinne der SPD (12 Prozent, +1,4) und ein starkes Plus der Grünen (11 Prozent, +5,8) stabilisieren die Kenia-Koalition. Daneben ergeben sich aber noch zwei andere mögliche demokratische Optionen für die Koalitionssuche nach der Landtagswahl: Weil die aktuell nicht im Landtag sitzende FDP in der Umfrage auf acht Prozent (+3,1) kommt, könnte sie entweder die Sozialdemokraten oder die Grünen aus der Regierung verdrängen.

Es deutet sich also aktuell ein demokratischer Dreikampf um die Gunst der CDU an, wobei die Motivation unterschiedlich verteilt sein dürfte. Die Grünen haben mehrfach deutlich klar gemacht, dass sie weiter regieren wollen. Die SPD kämpft, so ist es im Wahlprogramm vermerkt, um »eine progressive Mehrheit anstatt erzwungener Bündnisse« – doch danach sieht es, auch wegen der schwächelnden Linken (12 Prozent, -4,3), aktuell nicht aus. Möglicherweise wären die Sozialdemokraten die ersten, die den Rückzug antreten.

Andererseits: Eine CDU, die gegen »eine Verteufelung des Autos, neue Erschwernisse beim Eigenheimbau oder neue Einschränkungen für die konventionelle Forst- und Landwirtschaft« wettert, wie die Partei in einer Mitteilung im März, würde wahrscheinlich am liebsten die Grünen loswerden.

Und die FDP? Ist die große Unbekannte. Die Liberalen, die in der 30-jährigen Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt bereits zweimal (1990 - 1994, 2002 - 2006) eine Koalition mit der CDU gebildet hatten, waren 2016 knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Nun profitieren sie mutmaßlich von den leichten Verlusten von CDU und auch der AfD (20 Prozent, -4,3). Spitzenkandidatin Lydia Hüskens sagte am Rande des Parteitags vor zwei Wochen, sie wolle ein unternehmerfreundlicheres Umfeld schaffen: »Wir brauchen insgesamt im Bundesland ein anderes Verständnis von Unternehmertum.«

Das klingt eindeutig nach weniger Vorgaben für die Wirtschaft – und entsprechend höheren Kürzungen im Sozialbereich. Dabei gilt Sachsen-Anhalt seit jeher als Niedriglohnland. Erst diese Woche hatte die Linksfraktion im Landtag beklagt, Menschen in Sachsen-Anhalt arbeiteten bundesweit am längsten, während der durchschnittliche Stundenlohn um 6,16 Euro niedriger als in Westdeutschland sei. Der Kampf um ein neues Landesvergabegesetz, das öffentliche Aufträge an Tarifverträge binden soll, dürfte bei einem Einzug der FDP in die Regierung zur Unmöglichkeit verkommen.

Interessant ist jedoch auch: Im Ranking der wichtigsten Themen stehen Löhne mit vier Prozent nur auf einem hinteren Platz, davor neben der Coronakrise (39 Prozent) beispielsweise die Themen Wirtschaft (19 Prozent), Bildung (19 Prozent) und Arbeitslosigkeit (14 Prozent).

Bei einem rot-rot-grünen Bündnis wäre ein Landesvergabegesetz wohl reine Formsache – aber eine solche Option ist derzeit weit von Realisierbarkeit entfernt. Das liegt vor allem an der Linkspartei, die nach dem Absturz 2016 (-7,4 Prozent) aktuell weiter abschmieren würde. »Wir sind nicht glücklich über diese Zahlen, aber wichtig ist das Ergebnis am Wahlabend«, sagt Eva von Angern gegenüber »nd«: »Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir die Antworten auf die Coronakrise haben: Krankenhäuser in staatliche Hand, Ost-West-Angleichung der Löhne und Renten sowie die Bekämpfung von Kinderarmut.«

Auch bemerkenswert: Unter den Spitzenkandidaten ist Reiner Haseloff am beliebtesten – aber auch, mit Abstand, am bekanntesten. Zugespitzt formuliert: Er ist der einzige, den die breite Masse überhaupt kennt. Über Eva von Angern sagen 72 Prozent: Kenne ich nicht! Ähnliche Ergebnisse erzielen Cornelia Lüddemann (Grüne), Katja Pähle (SPD), aber auch Oliver Kirchner (AfD).

»Worauf ich stolz bin: dass mich mittlerweile 24 Prozent der Menschen kennen«, entgegnet von Angern, die lange Zeit im Schatten des ehemaligen Ministerpräsidenten-Kandidaten Wulf Gallert stand. Im Oktober hatte die Linke auf ihrem Parteitag einen Zweikampf zwischen Haseloff und von Angern ausgerufen, davon ist bislang noch nichts zu spüren. Entsprechend warb von Angern nochmal dafür, »dass der Wahlkampf personalisiert geführt wird. Es geht um Vertrauen in Politik, aber auch in Personen.«

Zumindest die großen Wahlplakate, die von Angern und Landeschef Stefan Gebhardt am Freitag enthüllten, sind sehr thematisch fokussiert: »Damit am Ende die Richtigen zahlen«, steht auf einem der Plakate, verziert mit einem Amazon-Logo. Der für seine markigen Sprüche bekannte Gebhardt sagte zugleich mit Blick auf den Bundestrend der Grünen und die Nominierung von Kanzlerkandidatin Baerbock: »Die Annalena von Sachsen-Anhalt heißt Eva von Angern.«

Bleibt noch die Frage: Was ist mit der befürchteten schwarz-blauen Koalition? In der MDR-Umfrage sagen zumindest 30 Prozent, dass sie sich eine Zusammenarbeit von CDU und AfD wünschen – darunter 80 Prozent der AfD-Wähler, 42 Prozent der FDP-Wähler und 18 Prozent der CDU-Wähler. Ein Bündnis mit der AfD hat die CDU bislang stets ausgeschlossen, doch der deutlich rechts von der Bundes-CDU stehende Landesverband Sachsen-Anhalt hatte in der ablaufenden Legislaturperiode nicht nur einmal mit den Rechtsradikalen geliebäugelt – beispielsweise bei der gemeinsamen Abstimmung über die Einsetzung einer Enquete-Kommission Linksextremismus.

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