DDR-Kunst in Potsdamer Ikone

Das gerettete »Minsk« bekommt ein Umfeld nach historischem Vorbild

Auf der Mauer eine Trennlinie, die Figuren auf beiden Seiten befinden sich nicht auf Augenhöhe. Die im Westen steht über der im Osten. Beide greifen durch die Trennlinie hindurch, die Hände seltsam verrutscht. Aus dem Händedruck, sollte er denn beabsichtigt gewesen sein, kann so nichts werden.

Solche witzigen Skizzen hat jetzt der rumänische Künstler Dan Perjovschi an die nackten Wände des ehemaligen Potsdamer Terrassenrestaurants »Minsk« gezeichnet. Mit Helm und Warnweste durfte er im April auf der Baustelle herumstolpern und in all dem Lärm und Staub dort machen, wofür das Gebäude nach seinem Umbau bestimmt ist: Kunst!

Die Stiftung des Softwaremilliardärs Hasso Plattner hat das lange leerstehende und deswegen heruntergekommene Gebäude am Brauhausberg 2019 gekauft und verwandelt es in eine Galerie. Im Frühjahr 2022 sollen dort zur Eröffnung Landschafts- und Gartenbilder des Malers Wolfgang Mattheuer (1927-2004) gezeigt werden sowie Fotos aus der Serie »Potsdamer Schrebergärten«, aufgenommen von Stan Douglas Anfang der 1990er Jahre.

»Das ›Minsk‹ zeigt Kunstwerke aus der ehemaligen DDR, aber nicht ausschließlich, sondern im Austausch mit zeitgenössischer Kunst«, erläutert Gründungsdirektorin Paola Malavassi. Ihr Team sucht noch nach Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen aus den alten Tagen des Terrassenrestaurants teilen möchten. »Ob Fotos oder Filmmaterial, alte Einladungen, Handzettel oder eben auch ganz persönliche Anekdoten, die sich im ›Minsk‹ zugetragen haben - an all diesen Momenten sind wir interessiert«, sagt Hasso Plattners Tochter Stefanie Plattner. Sie ist seitens der Hasso-Plattner-Stiftung für das Projekt »Minsk« verantwortlich.

Das eigenwillig schöne Restaurant wurde ab 1971 nach Entwürfen des Architekten Karl-Heinz Birkholz gebaut und 1977 zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution eröffnet. Damals gab es bereits ein Restaurant »Potsdam« im sowjetischen Minsk.

Das »Minsk« in Potsdam hätte keine Zukunft, wäre jetzt wahrscheinlich schon abgerissen, wenn nicht Hasso Plattner und Hans-Jürgen Scharfenberg gewesen wären. Scharfenberg ist Stadtverordneter und kämpfte mit seiner Linksfraktion lange und hartnäckig dafür, dem Haus, mit dem viele Einwohner der Stadt schöne Erinnerungen verbinden, wieder eine Perspektive zu geben. Denn es sollte eigentlich genauso verschwinden wie die benachbarte Schwimmhalle mit ihrem markanten Dach. Die Stadtwerke ersetzten die Schwimmhalle durch ein klobiges Erlebnisbad, das 2017 eröffnete. Stolze 41 Millionen Euro kostete das Bad. Die Summe sollte teilweise refinanziert werden durch den Verkauf der noch freien Grundstücke am Hang. 27 Millionen Euro versprach man sich davon. Hier war ein kleines Stadtquartier geplant. Das »Minsk« wollte man dafür abräumen.

Hasso Plattner gibt aber nicht nur dem »Minsk« eine Chance. Er sorgt nun als Zugabe in Zusammenarbeit mit Stadt und Stadtwerken dafür, dass auch ein Vorplatz mit Rasenflächen, Promenade, Brunnen und Spielplatz entsteht, der an den Zustand in den 1970er und 1980er Jahren erinnert. Auf vier Millionen Euro werden die Kosten veranschlagt. Die geplante Wohnbebauung wird dazu eingeschränkt. Kommunalpolitiker Scharfenberg freut sich über die jüngst vorgestellten Pläne für die Umgebung. »Das wird eine runde Sache«, glaubt er.

»Der große Zuspruch in der Gesellschaft für das Projekt und die parteiübergreifende Einigkeit belegt, dass dieses einstige Streitobjekt zu einem identitätsstiftenden Element der Kunst und des Städtebaus in der Landeshauptstadt geworden ist«, meint Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Mit weniger Baumasse und mehr Grün gelinge »der Idealfall dessen, was man behutsame Stadtentwicklung nennt«.

Der IT-Unternehmer und Mäzen Hasso Plattner selbst sagt: »Mit der Rettung und Restaurierung des ›Minsk‹ und der Wiederherstellung des Umlands erhält Potsdam einen Ort, an dem die architektonischen und künstlerischen Errungenschaften der DDR erhalten bleiben und der mit gegenwärtiger Kunst zum Dialog und zur Begegnung einlädt.«

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