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Kriegsgeschäfte mit Zukunft

Rheinmetall und andere deutsche Rüstungskonzerne profitieren von der steigenden Zahl an Konflikten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Rüstungssparte von Rheinmetall erzielte im Jahr 2020 die höchsten Gewinne seit dem Zweiten Weltkrieg. Darüber freuten sich am Dienstag die Aktionäre auf der Hauptversammlung. Mit 414 Millionen Euro stieg der Profit um 21 Prozent. Rheinmetall Defence verzeichnete gleichzeitig mit einem Umsatz von über 3,7 Milliarden Euro (plus 5,7 Prozent) einen weiteren Rekordwert. Als bekanntestes Produkt stellt der Düsseldorfer Konzern den Panzer »Leopard 2« her. Er baut und wartet aber auch »intelligente« Munition, gepanzerte Transporter und das »System Panzergrenadier«, in dem Schützenpanzer und Soldaten miteinander elektronisch verbunden operieren.

Ohnehin dreht sich immer mehr um Elektronik und streitkräfteübergreifende Vernetzung, Datenübertragung und Künstliche Intelligenz. Beispielsweise wird das hoch technisierte Bundeswehrausbildungszen-trum Unterlüß, gelegen im Nordosten Niedersachsens in der Lüneburger Heide, von Rheinmetall betrieben. Die international operierende Firma bietet aber auch individualisierbare Trainings- und Ausbildungskonzepte »für jeden Auftrag« – auch in fernen Einsatzländern.

Die Rüstungssparte von Rheinmetall konnte im vergangenen Jahr mit 6,39 Milliarden Euro auch den höchsten Auftragseingang verbuchen, ein Plus von 23 Prozent. Corona hatte kaum Einfluss auf die Umsätze, da die meisten Verträge lange Fristen haben.
Weltweit wurden 2020 mehr als 1600 Milliarden Euro in Rüstung gesteckt, berichtet unlängst das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. So viel Geld wurde seit 1988 nicht mehr für das Militär ausgegeben – und da herrschte noch der Kalte Krieg. Dass die Branche auch zukünftig volle Auftragsbücher erwartet, hat eine Reihe von Gründen: Die Zahl der politischen und militärischen Konflikte in der Welt dürfte insgesamt weiter zunehmen. Zu den klassischen Brandherden wie den Nahen Osten mit seinen Dauerkonflikten zwischen Iran und Saudi-Arabien gesellen sich immer wieder neue. So treibt die Expansion Chinas bei seinen Nachbarn die Rüstungsausgaben in die Höhe. Wachsende soziale Spannungen führen zudem in vielen Ländern zum Ausbau von Polizei und Sicherheitsdiensten. Auch das Geschäft mit privaten Militärdienstleistern und Söldnergruppen boomt. Nur wenige Länder wie zum Beispiel Chile oder Russland haben ihre Militärbudgets in der Pandemie zurückgeschraubt.

Gleichzeitig strebt auch Großbritannien wieder eine starke geopolitische Rolle an. Das Militär erhält für die nächsten vier Jahre umgerechnet 20 Milliarden Euro zusätzlich. Mit dieser außergewöhnlichen mehrjährigen Zusage will Premierminister Boris Johnson der Wirtschaft »bessere Planbarkeit« verschaffen, heißt es in einer Analyse der Bundeswehr. »Die Erhöhung des Verteidigungsetats ist zugleich eine Investition in die eigenen Industrien, und zwar als Technologieentwicklungs- und Beschäftigungsprogramm.« Davon profitiert aber auch Rheinmetall. Erst am Montag dieser Woche beauftragte das britische Verteidigungsministerium den deutschen Konzern mit der Modernisierung der britischen Kampfpanzerflotte bis 2027.

Johnsons industriepolitisches Argument ist auch von deutschen Politikern und Industrievertretern häufig zu hören – erst wieder Anfang dieser Woche auf der 12. Nationalen Maritimen Konferenz in Rostock. Rüstungsprojekte sollen neue Dimensionen wie Cyber-, Informations- und Weltraum erschließen, letztlich auch für eine zivile Nutzung. Ohnehin verwischen die Grenzen zwischen Militär und Zivil noch stärker. So wurde der rasant gestiegene Verteidigungshaushalt von Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) laut der Fachzeitschrift »Marineforum« noch einmal um 3,2 Milliarden Euro aus dem Corona-Konjunkturprogramm aufgestockt. Vor allem die Marine soll weiter für lange Auslandseinsätze »ertüchtigt« werden.

Die deutsche Rüstungsbranche erschließt sich zugleich neue Kundenkreise. Bis vor kurzem wachten die EU-Staaten eifersüchtig über ihre nationalen Industrien. Die kompliziertere Technik und extrem hohe Preise haben jedoch die nationalen Grenzen aufgebrochen. Für den Bau von U-Booten und Fregatten kooperiert Deutschland mit Norwegen und den Niederlanden; mit Frankreich wird ein neuer Kampfjet geplant. Und für einen künftigen »Super-Panzer« haben Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und der französische Konzern Nexter eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. An Selbstvertrauen mangelt es der deutschen Seite dabei nicht: »Bei moderner Heerestechnologie ist Deutschland ohne Zweifel führend«, meint KMW-Geschäftsführer Ralf Ketzel.

Lesen Sie auch: Auf der globalen Rüstungsschau Idex in Abu Dhabi kauft Rheinmetall das erste in den Emiraten hergestellte Luftabwehrraketensystem.

Bei Rheinmetall gehört indes die bisherige organisatorische Trennung in zwei etwa gleichgroße, selbstständige Unternehmensbereiche »Defence« und »Automotive« bald der Vergangenheit an. Die Aktiengesellschaft treibt die Transformation zum »integrierten Technologiekonzern« voran. Eine neue Struktur mit fünf direkt vom Vorstand geführten Divisionen soll dabei die Synergien zwischen militärischen und zivilen Projekten heben helfen. »Die neue Konzernstruktur gibt uns alle Chancen, unser technologisches Spektrum auszuweiten und unsere Positionen in den globalen Märkten auszubauen«, erklärt Vorstandsvorsitzender Armin Papperger. Damit sehe man sich bestens dafür aufgestellt, die ehrgeizigen Ziele für hohe Profitabilität zu erreichen.

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