Expertise statt Geheimdienst

Meine Sicht: Martin Kröger verlässt sich lieber auf die Einschätzung der Zivilgesellschaft

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Was hatte sich Rot-Rot-Grün nicht alles bezüglich der Reformierung des skandalumwitterten Berliner Verfassungsschutzes in dieser Legislatur vorgenommen. Auf seine »Kernaufgaben« sollten die Aufgaben des Inlandsgeheimdienstes zurückgeführt werden. »Eng« sollten die Kriterien gefasst werden und strikt kontrolliert. Im Falle der Gefahrenabwehr oder Strafaufklärung sollte auf die Polizei beziehungsweise auf die Staatsanwaltschaft zurückgegriffen werden, eigene Tätigkeiten des Verfassungsschutzes in solchen Sachverhalten sollten ausgeschlossen werden. Doch statt strikter Trennung agieren Geheimdienst und Polizei inzwischen in einem Gemeinsamen Informations- und Bewertungszentrum.

Dass angesichts der aktuellen Bedrohungen und der terroristischen Anschläge durch Rassisten in Halle und Hanau immerhin der Rechtsextremismus als »größte Gefahr« erkannt wird, kann nur wenig darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Informationen des Verfassungsschutzes oberflächlich und zum Teil konstruiert erscheinen. Wer wirklich etwas über die Entwicklung der extremen Rechten in Berlin erfahren will, ist besser bedient, sich an die Expertise der unabhängigen Initiativen wie der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin oder an die Publikationen des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums zu halten.

Wie unnütz dagegen die extremismustheoretischen Schablonen des Nachrichtendienstes sind, zeigt sich aktuell an den Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Zwar hat auch der Verfassungsschutz erkannt, welche Gefahr die häufig antisemitisch konnotierten Verschwörungserzählungen darstellen. Aufgrund seiner Hufeisenausrichtung kann er aber gar nicht anders, als die Bedrohung nur bei Reichsbürgern und Neonazis zu verorten. Dabei reicht das Problem nicht nur in diesem Fall bis weit in die sogenannte Mitte der Gesellschaft.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal