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+++ Unabhängige Experten: Corona-Pandemie »hätte verhindert werden können« +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Mittwoch, 12. Mai 2021: +++ Bundesweite 7-Tage-Inzidenz nähert sich der 100 +++ WHO: Indische Corona-Variante in mehr als 40 Ländern erfasst +++ Karliczek: Kinder könnten in Schulen oder von Hausärzten geimpft werden +++

  • Lesedauer: 5 Min.

Genf. Die weltweite Verbreitung des Coronavirus mit ihren schrecklichen Auswirkungen hätte nach Ansicht unabhängiger Experten vermieden werden können. Dafür aber hätten die Warnsignale sofort beachtet, die WHO früher Alarm schlagen und die einzelnen Länder konsequenter reagieren müssen, heißt es in einem am Mittwoch in Genf vorgelegten Bericht eines internationalen Expertengremiums.

»Die Situation, in der wir uns heute befinden, hätte verhindert werden können«, konstatierten die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingesetzten Experten. Ein »toxischer Cocktail« aus Zaudern, fehlender Vorbereitung sowie schlechter Reaktion auf die Krise sei für das dramatische Ausmaß verantwortlich, erklärte die Ko-Präsidentin des Gremiums, Ellen Johnson Sirleaf. Nur so habe sich die jetzige »katastrophale humanitäre Krise« entwickeln können, die von den Experten als »Tschernobyl des 21. Jahrhunderts« bezeichnet wird.

An den Folgen einer Corona-Infektion starben weltweit inzwischen mindestens 3,3 Millionen Menschen. Staatliche Institutionen hätten vielerorts »versagt in der Aufgabe, Menschen zu schützen«, heißt es in dem Bericht. Zudem hätten Erkenntnisse der Wissenschaft leugnende Staats- und Regierungsschefs beziehungsweise andere Verantwortliche das Vertrauen in die nötigen Maßnahmen zersetzt.

Die Eindämmung des Coronavirus und die dritte Welle

»Schlechte strategische Entscheidungen, fehlender Wille zur Bekämpfung von Ungleichheiten und ein unkoordiniertes System schufen einen toxischen Cocktail, der es der Pandemie erlaubte, sich in eine katastrophale humanitäre Krise zu entwickeln«, erklärte die ehemalige liberianische Präsidentin Sirleaf, die gemeinsam mit der früheren neuseeländischen Premierministerin Helen Clark das Gremium leitet. »Es gab eine Spirale von Versagen, Lücken und Verzögerungen bei der Vorbereitung und der Reaktion.«

Das Gremium aus 13 Experten war nach heftiger Kritik an der WHO von dieser ins Leben gerufen worden. Es untersuchte acht Monate lang die Ausbreitung des Coronavirus und die von der WHO und den einzelnen Staaten ergriffenen Maßnahmen.

+++ Bundesweite 7-Tage-Inzidenz nähert sich der 100 +++

Berlin. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz nähert sich bei stetig sinkenden Fallzahlen nun der Schwelle von 100. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag nach den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) am Mittwoch bei 107,8. Der Wert sinkt in allen Altersgruppen. Einen Höchststand hatte die bundesweite Inzidenz während der dritten Welle am 26. April mit 169,3 erreicht.

Die Hälfte der Bundesländer liegt in der Corona-Pandemie mittlerweile unter dem politisch maßgeblichen Wert von 100. Den RKI-Daten zufolge sieht es in Schleswig-Holstein mit 49 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche besonders gut aus. Auch in Hamburg (67), Niedersachsen (78), Mecklenburg-Vorpommern (78) und Brandenburg (82) liegen die Werte deutlich unter der 100er Marke. Etwas knapper ist es in Rheinland-Pfalz (93), Bremen (90) und Berlin (86). Nur noch knapp über 100 liegen das Saarland (105) und Bayern (107). Schlusslichter sind weiterhin Sachsen (144) und Thüringen (168).

Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz geht seit etwa zwei Wochen kontinuierlich zurück. Auch andere Kennzahlen wie der R-Wert und die Belegung der Intensivbetten mit Corona-Patienten weisen auf Entspannung hin. Das kann am Verhalten der Menschen liegen, aber auch am Fortschritt beim Impfen. Zudem sind Effekte der Bundes-Notbremse denkbar. Sie greift, wenn die Inzidenz auf Kreisebene an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100 liegt. Dann gelten automatisch strengere Regeln wie Ausgangsbeschränkungen.

+++ WHO: Indische Corona-Variante in mehr als 40 Ländern erfasst +++

Genf. Die zunächst in Indien entdeckte Corona-Variante B.1.617 ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen in mehr als 40 Ländern nachgewiesen worden. Mehr als 4500 analysierte Gensequenzen aus 44 Ländern seien B.1.617 zugeordnet worden, zudem lägen Meldungen über Nachweise aus fünf weiteren Ländern vor, teilte die Behörde in Genf am Dienstag mit. Am Montag hatte die UN-Behörde die Variante als »besorgniserregend« eingestuft. Zuvor hatte die WHO nur zunächst in Großbritannien, Südafrika und Brasilien erfasste Varianten so bezeichnet.

Potenziell bedrohliche Varianten von Sars-CoV-2 werden von der WHO in zwei Kategorien einteilt: Varianten unter Beobachtung (»variants of interest«) sowie besorgniserregende Varianten (»variants of concern«). Letztere sind nachweislich ansteckender, schwerer bekämpfbar und/oder führen zu schwereren Krankheitsverläufen.

Die aktuellen Corona-Impfzahlen für Deutschland

Es gebe Hinweise auf höhere Übertragungsraten bei B.1.617, eine rasche Verbreitung in mehreren Ländern sei beobachtet worden, hieß es von der WHO. Ob die Wirksamkeit von Impfstoffen oder Medikamenten bei der Mutante eingeschränkt sei, sei noch unklar. Erste Ergebnisse von Laborstudien deuteten auf eine »mäßige Verringerung der Neutralisierung durch Antikörper« hin. Inwiefern das tatsächlich Auswirkungen etwa auf die Wirkung von Impfstoffen und Medikamenten und das Risiko für erneute Infektionen hat, lässt sich aber noch nicht gesichert sagen.

In Indien stecken sich derzeit täglich Hunderttausende mit Sars-CoV-2 an. Seit Beginn der Pandemie sind in dem südasiatischen Land mehr als 22,9 Infektionen erfasst worden. Bei lediglich rund 0,1 Prozent der positiv auf Corona getesteten Proben sei eine Gensequenzierung zur Variantenbestimmung durchgeführt worden, teilte die WHO mit. Außerhalb Indiens meldete demnach bislang Großbritannien die höchste Anzahl an Infektionen mit der Variante B.1.617. Dort werden vergleichsweise viele Proben sequenziert.

Nach WHO-Angaben sinkt die Zahl der Neuinfektionen in den meisten Regionen der Welt derzeit, einschließlich Europa und dem amerikanischen Kontinent. In Südasien und Südostasien gibt es jedoch weiter einen starken Anstieg. Weltweit wurden vergangene Woche mehr als 5,5 Millionen Fälle und rund 90 000 Tote im Zusammenhang mit der Pandemie gezählt.

+++ Karliczek: Kinder könnten in Schulen oder von Hausärzten geimpft werden +++

Berlin. Die für Kinder über zwölf Jahren geplanten Corona-Impfungen könnten nach den Worten von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sowohl in Schulen als auch bei Hausärzten erfolgen. »Je nachdem, ob man eine große oder eine kleine Schule hat, gibt es ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen«, sagte Karliczek am Mittwoch dem Sender RTL/ntv. Entsprechend unterschiedliche Angebote könnten gemacht werden.

Für viele Eltern sei es aber wichtig, dabei zu sein, wenn ihre Kinder geimpft werden, sagte die Ministerin weiter. »Von daher ist es dann vielleicht sogar einfacher, das beim Hausarzt zu machen.« Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, dass bis zum Ende der Sommerferien den Zwölf- bis 18-Jährigen in Deutschland ein Impfangebot gemacht werden soll.

Nach Kanada und den USA könnte auch Europa noch in diesem Monat den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder zulassen. Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) arbeitet an einer beschleunigten Zulassung für Zwölf- bis 15-Jährige. Agenturen/nd

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