Söldner an der Seitenlinie

Sonntagsschuss: Welch schlechte Wirkung die privilegierte Rolle eines Trainers im Profifußball haben kann, ist gerade mehrfach in der Bundesliga zu beobachten.

Als ich am Sonnabend die Gesichter von Frankfurts Trainer Adi Hütter und seinem Gladbacher Kollegen Marco Rose sah, übermannte mich eine gut durchgeschüttelte Mischung aus den niederträchtigsten Gefühlen. Wäre ein Sekt zur Hand gewesen, er hätte dran glauben müssen. Hütter und Rose, das muss man an dieser Stelle nachreichen, sind zwei Trainer, die bekannt gegeben haben, dass sie trotz laufender Verträge ihre Arbeitgeber verlassen und kommende Saison anderswo arbeiten. Hütter in Mönchengladbach, Rose in Dortmund. Für beide ist die nächste bessere auch die nächstbeste Adresse. Zumal die besser bezahlt ist.

Und nun das: 1:2 verlor Mönchengladbach gegen den VfB Stuttgart. Hütters Frankfurter brachten es sogar fertig, als insgesamt erst dritte Mannschaft in dieser Spielzeit bei Schalke 04 unterzugehen. Seit Hütter seinen Abgang verkündet hat, brachte Frankfurt einen Sieg und ein Remis zustande, verlor aber drei Mal. In Gladbach stehen vier Siege einem Unentschieden und zehn Niederlagen gegenüber. Die Borussia, die gute Chancen auf die Champions League hatte, als Rose seinen Weggang bekannt gab, wird das internationale Geschäft womöglich ganz verpassen. Die Eintracht, für die das Gleiche galt, schafft immerhin noch die Europa League. Dass die Negativserie nicht von ungefähr kommt, gab der Frankfurter Mittelfeldspieler Sebastian Rode zu. Das sei »nicht von der Hand zu weisen«, sagte er nach kurzem Überlegen.

Eine Aussage, über die sich nachzudenken lohnt. Schließlich ist die offizielle Lesart ja die, dass Profifußballer den Leistungsgedanken so tief verinnerlicht haben, dass ihnen egal ist, wie die Karriereplanungen ihres Trainers aussehen. Vorausgesetzt, dessen Training ist gut, und das eigene Gehalt pünktlich am Monatsanfang überwiesen. Allerdings scheint der Fußball trotz all seiner Perversionen durch den Profibereich einen Kerngehalt zu haben, der unabhängig davon besteht, ob das Team nun in der Champions League oder in der Kreisliga B spielt.

Zum Beispiel den, dass man einem Trainer nur dann zuhört, wenn das, was er erzählt, stimmig ist. Fachlich wie menschlich. Ein Trainer, der vor den schnellen Außenbahnspielern des Gegners warnt, verliert dann seine Autorität, wenn die sich dann auf dem Feld als langsam erweisen. Und sämtliche Motivationskünste klingen eben hohl, wenn die Spieler wissen, dass der Trainer den Verein, für den sie nun »alles raushauen« sollen, auch nur als Karrieresprungbrett sieht. Genau das, also die privilegierte Rolle eines Trainers, ist auch der Grund, warum über Jahrzehnte keine Ablösesummen für sie bezahlt wurden. Ein Trainer erfüllte seinen Vertrag. Oder - und das war und ist natürlich der häufigere Fall - er wird vorher gefeuert.

Ein Adi Hütter, der eine Blut-Schweiß-Tränen-Rede hält, sein Mobiliar schon von Hessen nach (mutmaßlich) Düsseldorf gekarrt wird, ist ebenso unglaubwürdig, wie ein Rose, der (mutmaßlich) in Düsseldorf wohnen bleibt, künftig aber bei der Borussia aus Dortmund statt der aus Mönchengladbach arbeiten wird. Das fängt schon beim Personalpronomen an. Wer soll bei den beiden das »Wir« sein, von dem Trainer so gerne reden, wenn sie die Mannschaft ansprechen? Söldner dürfen von vielem sprechen, nur nicht von Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber.

Apropos Dortmund. Dass dort ein Trainer arbeitet, für den der BVB wirklich mehr ist als ein Arbeitgeber, scheint mir offensichtlich zu sein. Edin Terzic, und dazu brauchte man nicht die Bilder vom Pokalfinale, ist glühender Fan des Vereins, dessen Fußballer er trainiert. Zudem ist er ein äußerst erfolgreicher Trainer, der einer von Lucien Favre ins emotionale Koma trainierte Mannschaft wieder Schwung verlieh.

Vielleicht sollten sie in Dortmund noch mal darüber nachdenken, ob sie wirklich gut beraten sind, Terzic zurück ins zweite Glied zu schicken und ihn Rose zuarbeiten zu lassen. Zumal die Hütters und Roses dieser Welt ja eine Sache völlig übersehen. Mit Ihrem Söldnertum machen sie sich nicht nur bei den Fans des Vereines unbeliebt, den sie verlassen, sondern auch bei denen des Klubs, zu dem sie wechseln. In Dortmund oder Gladbach wissen sie schließlich genau, dass Rose und Hütter beim nächstbesten Angebot wieder weg sind. Denn die Nahrungskette endet nicht in Nordrhein-Westfalen.

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