Epizentrum in der Villa Elisabeth

»Illustrative« gibt Einblick in die Arbeit der Zeichner / Vorträge und Workshops

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.
Illustratoren verlassen das kleine Buchformat und füllen Wände. Zwar unterhält die Ausstellung »Illustrative« in der Villa Elisabeth auch eine kleine und feine Buchkunst-Sektion, größeres Gewicht haben jedoch die den DIN-A5-Rahmen sprengenden Arbeiten. Zwei Tendenzen kristallisieren sich hierbei heraus: Zum einen das Abbilden, Entwerfen und Konstruieren realistischer Stadtlandschaften, zum anderen die Kreation von Traum- und Fantasiewelten voller Ahnungen und Stimmungen. Die Stadtbilder indes dominieren. Der Hamburger Tim Dinter geht bei seinen Berlin-Bildern reduziert konstruktivistisch vor. Nur wenige Bauten gruppieren sich zu einer Häuserzeile, durchsichtig scheinen die Fassaden - doch hinter ihnen ist nichts. Leer muten auch die Straßen an. Dinters sparsam kolorierten Stadtansichten nehmen melancholisch die Kargheit von Bauplänen auf. Ähnlich präzise und konstruktivistisch wie Dinter, nur unglaublich detail- und farbverliebt sind die üppigen Stadtpanoramen von Roman Bittner. Der Berliner Illustrator lädt in eine von Werbebotschaften und Konsumartikeln schier überfüllte Welt der 50er Jahre ein. Die vibrierende heutige Stadt ist das Thema des Spaniers Gregori Saveedra. Straßenszenen und Demonstrationen bildet er ab, überführt sie jedoch in die klassische, Distanz aufmachende Schwarz-Weiß-Ästhetik. Als besonders experimentell erweist sich in diesem Bereich Jan Feindt. Auf seine riesigen Schwarz-Weiß-Stadtansichten appliziert er im Stil der Pop-Art gehaltene Frauenköpfe und verbindet so Düsternis mit bunter Exzentrik. In Traumlandschaften mit Wasser führt Jens Harder den Besucher. Ein halbtransparentes Tuch schwebt über den Klippen und formiert sich zu etwas, das ein Märchenwesen sein könnte. Mit spätdadaistischen Collagen aus einzelnen Frauen- und Männerfiguren, Schlössern, Landschaften und Innenräumen kreiert die französische Künstlerin Helene Builly weite Assoziationsräume. Technologisch am avanciertesten erscheint hingegen der Rumäne Matei Apostolescu. Der Designer, der sich auch schon an der Entwicklung von Skateboards beteiligt hat, lässt seinen Computer bizarre Fabelwesen errechnen. Ob das aktuelle Treffen Illustrative - wie selbst behauptet - den gegenwärtigen Stand von Illustration und Grafik umfassend zeigt, kann nicht beurteilt werden. Im Vergleich zur großen Schwester Malerei scheinen Themen und Stilformen etwas beschränkt. Immerhin machen einzelne Ausstellungssektionen noch die Felder Videoinstallation, Bühnendesign und Modegrafik (ein Teil der Ausstellung im IDZ, Reinhardtstr. 52) auf. Auch das Begleitprogramm aus Vorträgen und Workshops ist durchaus gehaltvoll. Für etwas mehr als zwei Wochen ist die mit einer effektvoll leuchtenden Bar ausgestattete Villa Elisabeth das Epizentrum des Universums der Zeichner, mindestens das der Berliner Zeichnerszene. Bis 16.9., tägl. 11-19 Uhr, Villa Elisabeth, Invalidenstr. 3, Mitte, Abendprogramm ab 19.30 Uhr, www.illustrative.de
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